Lost in Translation

Ein von Brunhilde Wehinger herausgegebener Sammelband stellt Übersetzerinnen im 18. Jahrhundert vor

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Sammelband vereinigt zehn Aufsätze unter dem Titel "Übersetzungskultur im 18. Jahrhundert". Eingeleitet wird die Aufsatzsammlung von Brunhilde Wehingers Essay "Auf dem 'Marktplatz der Ideen'. Übersetzerinnen im 18. Jahrhundert", der die Bedingungen absteckt, unter denen sich Frauen im 18. Jahrhundert als "Transformatoren" zwischen verschiedenen Kulturen behaupteten. In der Einleitung heißt es: "Übersetzungen sind ein wesentlicher Bestandteil des Kulturtransfergeschehens, das der europäischen Aufklärung ihre transkulturelle Prägung, ihre Offenheit verlieh und eine literarische Öffentlichkeit herausbildete, die sich durch ihr unermüdliches Interesse am neuen und an den kulturellen Entwicklungen in anderen europäischen Ländern auszeichnetet." Damit ist der Rahmen skizziert, in dem sich der vorliegende Band thematisch bewegt.

Die dem einleitenden Aufsatz folgenden Essays stellen jeweils eine Übersetzerin ins Zentrum ihrer Untersuchung. Geografisch wurden Deutschland, Frankreich und die Schweiz einbezogen. Zu den Übersetzerinnen, die oft als Schriftstellerinnen bekannt waren, gehört Luise Gottsched (behandelt von Hilary Brown als Übersetzerin), Helene Unger (Alexander Nebrig), die vor allem auch als Verlegerin erfolgreich war, Sophie Mereau (Britta Hannemann), vor allem durch ihre Lyrik eine der bemerkenswertesten Autorinnen der Romantik, und Dorothea Tieck (Anne Baillot). Aber auch die weniger bekannten Protagonisten, die mit ihren Arbeiten zur "Kulturtransformation" vorgestellt werden, offenbaren eine Vielzahl von themenübergreifenden Fakten: Émilie du Châtelets Übersetzungen von Isaac Newtons Arbeiten, Octavie Belot, Isabelle de Charrière, Isabelle de Montolieu und die Übersetzerin englischer Unterhaltungsliteratur Dorothea Margareta Liebeskind.

Neben der dezidierten Einführung zur Geschichte der "Übersetzungskultur", dem Einbezug der zeitgenössischen Referenztexte wie etwa Germaine de Staëls "De l'Allemagne" oder François Marie Arouet Voltaires "Lettres philosophiques" (1734) wird ein dichtes Netz der Verflechtungen von Übersetzung, Kulturtransfer und Wirkungen des Ideen- und Texttransfers entworfen und detailliert beschrieben. Man wünscht sich nach der Lektüre, auf noch dichtere Informationen von Personen zugreifen zu können, denn das Thema "Übersetzung" erlaubt es, verschiedene Diskurse von Kultur in einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Ein intelligenter Sammelband, der den Blick auf eine im literarisch-naturwissenschaftlichen Bereich tätige Personengruppe richtet, die bisher nahezu gänzlich im Verborgenen ihre Tätigkeit ausgeübt hat.


Titelbild

Brunhilde Wehinger (Hg.) / Hillary Brown: Übersetzungskultur im 18. Jahrhundert. Übersetzerinnen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz.
Wehrhahn Verlag, Hannover 2008.
206 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783865252128

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