Der Besuch der alten Damen

John Updikes letzter Roman "Die Witwen von Eastwick"

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist wohl kein Zufall, dass in John Updikes letztem Roman Altersprobleme im Mittelpunkt stehen. Alexandra, Jane und Sukie sind älter und ruhiger geworden. Die leicht diabolischen "Hexen" aus dem erfolgreichen Vorgängerroman sind jetzt vom körperlichen Verfall deutlich gezeichnete "Witwen" jenseits der siebzig.

Die sexuelle Gier, die Hintertriebenheit und die Brutalität, mit der sie einst das Spießerstädtchen Eastwick förmlich "aufmischten", ist dahin. Geblieben sind Erinnerungen, die immer mehr verblassen, und der latente Wunsch nach Versöhnung, nach einem inneren Frieden in den anbrechenden letzten Lebensjahren.

John Updikes 23. und letzter Roman wird umweht von einer lauen Brise der Altersmilde, er liest sich wie eine besänftigende Entschärfung seiner früheren Bücher - augenscheinlich geschrieben unter dem Druck des nahen Todes. Aus den Figuren der Witwen mit all ihren Gebrechen und mit ihren letzten kleinen Wünschen spricht möglicherweise der im Januar im Alter von 76 Jahren an einem langen Krebsleiden verstorbene Autor John Updike selbst.

Die Crux an seinem Romanvermächtnis offenbart sich rasch: Wer den 1987 mit Susan Sarandon, Cher und Michelle Pfeiffer als Hexentrio sowie Jack Nicholson in der Rolle des Daryl van Horne erfolgreich verfilmten Vorgängerroman nicht kennt, dürfte Schwierigkeiten bekommen, sich mit den Geheimnissen von Eastwick und den gebrechlichen, eigentlich schrecklich langweiligen Frauen zu arrangieren.

Alexandra, Jane und Sukie waren nach dem Mord an ihrer Nebenbuhlerin Jenny fortgezogen, hatten sich von der schwarzen Magie abgewandt, in der Fremde ein zweites Mal geheiratet und ein neues Leben begonnen. Dreißig Jahre sind im Roman seitdem vergangen, als sich das inzwischen verwitwete Trio wiedertrifft, um gemeinsam auf Reisen zu gehen - nach Kanada, Afrika und China. John Updike füllt die Handlung mit essayistischen Betrachtungen über die Reiseziele auf und schreckt dabei auch nicht vor peinlicher Symbolik zurück. "Die Zeiten haben sich geändert", so lautet die unübersehbare Botschaft, und so darf Maos einbalsamierter Leichnam unter Updikes Feder sogar den Witwen aus dem einstigen Feindesland freundlich zuwinken. Hier gerät der versöhnliche Grundtenor des Romans zur platten Posse.

Irgendwann beschließen die Witwen, für einen Sommer nach Eastwick zurückzukehren, wo Alexandras Tochter lebt. Die Eindrücke sind ernüchternd: Die Gesichter haben sich zwar verändert, aber gewisse Verhaltensmuster scheinen sich vererbt zu haben. "Junge Mütter fahren ihre übergewichtigen Jungs in übergewichtigen Geländewagen zwanzig Meilen weit zum Hockeytraining, die jungen Väter, kastrierte Weichlinge, helfen ihren klitzekleinen Ehefrauen im Haushalt und lärmen den ganzen Samstag in ihrem süßen Häuschen herum. Es ist wie in den fünfziger Jahren, nur diesmal ohne die Russen als Entschuldigung."

Sie pendeln zwischen Anflügen von Reue über ihr Verhalten in der Vergangenheit und verhaltenem Zorn und Fassungslosigkeit über die gegenwärtigen Verhältnisse. So versucht Alexandra ihrer Tochter klarzumachen, dass der alltägliche Sexismus und die Diskriminierung am Arbeitsplatz das Trio einst in die Hexerei getrieben habe. Doch die Tochter reagiert schroff: "Ich glaube, du brauchst weniger Eastwick, nicht mehr. Du und deine Freundinnen, ihr dachtet, eine Rückkehr würde euch jünger machen, aber natürlich hat sie das nicht. Der Zauber, den du dir erhofft hattest, ist ausgeblieben."

Die Rückkehr an die Stätte der Jugend war eine einzige Enttäuschung. Eastwick wurde nicht zum ersehnten Jungbrunnen, sondern zum Ort der Desillusionierung für die "drei alte Damen, brüchig und trocken geworden in ihrem Verfall". Die einstige Lebenslust hat sich in ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis verwandelt, das körperlichen Siechtum und die seelischen Veränderungen haben sich simultan vollzogen. Am Ende greift Bildhauerin Alexandra noch einmal zum Telefon und ruft die Weggefährtin Sukie an: "Na, wohin fahren wir in diesem Jahr zusammen?" Doch von der einstigen Journalistin gibt es keine Antwort.

Ein letztes Mal hat sich John Updike erzählerisch dem von ihm gehegten amerikanischen Mittelstand aus der Provinz und all seinen Marotten angenommen. Es geht zwar deutlich milder und versöhnlicher als in früheren Werken zu, dennoch dreht sich auch in den "Witwen von Eastwick" alles noch einmal um den Kampf gegen Obsessionen und den geheimnisvollen, Updike-typischen Zustand der nie versiegenden inneren Unruhe.


Titelbild

John Updike: Die Witwen von Eastwick. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Angela Praesent.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2009.
412 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783498068868

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