Macht neugierig auf den Dichter

Marcel Reich-Ranickis Lesebuch über Friedrich Schiller

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Vorwort gesteht Kritikerpapst Marcel Reich-Ranicki, schon früh von Friedrich Schiller aus Marbach verzaubert worden zu sein. Seit frühester Jugend bewundere er "den Revolutionär, den Poeten der Freiheit", den Kämpfer mit der Feder oder, wie man heute sagen würde, den engagierten Dichter, der mit jeder seiner literarischen und mit jeder seiner philosophischen Arbeiten "unbedingt etwas erreichen, etwas bewirken wollte". Ferner liebe er den größten der deutschen Theaterautoren, der einmal klipp und klar behauptet hat: "Alle Kunst ist der Freude gewidmet, und es gibt keine höhere und keine ernsthaftere Aufgabe, als die Menschen zu beglücken."

Da für ein kleines, handliches Lesebuch die Aufnahme der Dramen von "Don-Carlos" und "Wallenstein" wegen ihres Umfangs nicht in Frage kam, entschied sich Reich-Ranicki für den Abdruck von "Kabale und Liebe".

Um Schiller auch als vorzüglichen Geschichtenerzähler vorzustellen, wählte der Herausgeber die Erzählung "Verbrecher aus Infamie" aus. Leider seien viele Erzählungen, bedauert Reich-Ranicki, oft nicht genügend gewürdigt worden, ähnlich wie auch Schillers Gedichte, denen man im allgemeinen zu viel Gedankenlyrik nachsagt. Fünf von ihnen fanden Eingang in das Buch, zum Beispiel "An die Freude" und die von Reich-Ranicki besonders geschätzte Ballade "Die Kraniche des Ibykus".

Wie aber wurde der Dichter für Reich-Ranicki sein Schiller? Er wurde es, weil sein Werk, nach Aussage von Reich-Ranicki, ihn zum ersten Mal ahnen und vielleicht auch begreifen ließ, "dass Literatur Kritik der Gesellschaft ist, Kritik des Lebens".

Daneben bietet der Band etliche Essays aus der Feder von Schiller, wie etwa über die "Schaubühne", über "die Universalgeschichte", die "ästhetische Erziehung", "über das Erhabene" und "Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie".

Wer hier Schiller zum ersten Mal begegnet, dürfte dank der geschickten Auswahl, die Reich-Ranicki getroffen hat, zweifellos den Wunsch verspüren, mehr von und über diesen Dichter zu erfahren.


Titelbild

Marcel Reich-Ranicki: Mein Schiller.
Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2009.
287 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783458351122

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