Manchmal sogar lustig, oder?

"Der beste Roman aller Zeiten" von Oliver Maria Schmitt überzeugt vor allem durch seine Formulierungskunst

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dem Roman ist ein Zitat von Friedrich Nietzsche aus dem Jahr 1880 als Motto vorangestellt: "Wer wird das lesen wollen! / Gott weiß es nicht, ich auch nicht." Das ist zu Beginn eines Buches, das man noch lesen möchte, ironisch und auch lustig und hängt die "Spaßlatte" für die folgenden Seiten recht hoch. Um die "Geschichte" kurz zu skizzieren: Mike Rademann, kontemplativ orientierter Zeitgenosse mit einer ausgeprägten Tendenz zum "entschleunigen" des eigenen Lebens hat ebendiese Fähigkeit mit der Hilfe eines professionellen Beraters zu einer Geschäftsidee weiterentwickelt. Diese harrt aber noch der Umsetzung und es kommt ihm gerade Recht, als ihm Jo Hollenberg begegnet, ein "One-Hit-Wonder"-Schriftsteller, der den im Titel des Romans zitierten "besten Roman aller Zeiten" geschrieben hat. Dieser engagiert Mike, um ihm aus seiner Lebens- und Schreibkrise herauszuhelfen.

Das Aufeinandertreffen des chaotischen Schriftstellers und des unfähigen Trainers und Therapeuten erzeugt eine Vielzahl sehr humoriger Szenen, doch kann man sich des Eindrucks nur schwer erwehren, dass das an mehreren Stellen als lustige Einlage gebrachte "wenn einem nichts mehr einfällt als Autor erscheint einfach ein Zwerg", leider in der Ausführung des Buches nicht ironisch gebrochen wird, sondern eben die eigene Schreibpraxis in Ansätzen treffend charakterisiert. Eine ironische Betrachtung ist lediglich auf einer Metaebene möglich, die versuchte Ironie verabschiedet sich auf der Erzählebene im letzten Teil des Buches vollständig: Autor und Adlatus werden von Kleinkriminellen nach Albanien entführt, um dort in einem "Gefangenenlager" zu literarischer Produktion gezwungen zu werden, die von dem Organisator der Entführung gewinnbringend auf dem europäischen Markt verkauft werden soll. Diese vermeintlich absurde und eigentlich ulkige Geschichte schafft es nicht, den Humor in der literarischen Umsetzung zu transzendieren. Trotzdem findet man immer wieder geschickt gezeichnete Wortbilder: "Die Hochhäuser waren vor mir aufgestellt wie eine gigantische Lichtwand, unüberwindlich, eine Festung aus Glitzer und Glas. Je näher wir ihr kamen, desto mehr teilte sich die Fläche, surrte auseinander wie ein Kinovorhang aus nachtschwarzem Samt, die Türme sprangen zur Seite. Und wir? Glitten schwerelos in die Schluchten, zwei Blade Runner in extremer Mission, wir preschten durch Pixelparks, durch Heere von Replikanten, sahen Androiden und elektrische Schafe auf den Trottoirs, und darüber - darüber hing Hollenbach. Überall. Rechts und links der Straße, überall Plakate". Aufgrund solcher Formulierungskunst ist von der Lektüre des Romans dann doch nicht abzuraten.

Auf das nächste Buch von Oliver Maria Schmitt darf man gespannt sein. Aber auch der vorliegende Band könnte den Lesern gefallen. "Da bin ich auch ganz sicher", sagte der Zwerg.


Titelbild

Oliver Maria Schmitt: Der beste Roman aller Zeiten.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2009.
252 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783871346224

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