Abrahams Auftrag

Rudolf Pesch deutet in "Juden und Christen - ein einziges Volk Gottes?" deren gemeinsame Aufgabe an

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der in Fragen der Theologie und Philosophie wohl bewanderte Rudolf Pesch, Jahrgang 1936, versucht in vier Beiträgen, die als Vorträge konzipiert und als solche schon mehrfach gehalten wurden, nachzuweisen, dass Juden und Christen aufgrund ihrer Geschichte zum einen, einzigen Volk des einen, einzigen Gottes gehören und sich auf einen gemeinsamen Vater, nämlich Abraham, berufen können.

Der erste Aufsatz beschäftigt sich mit Abraham, dem Vater des einen Bundesvolkes, zu dessen Kindern sowohl Juden als auch Christen gehören. (Auf die Beziehung Abrahams zu den Muslimen geht Pesch nur hin und wieder und das auch eher am Rande ein.) Der Messias steht, so führt der Autor weiter aus, in der Kontinuität der mit Abraham begonnenen Heilsgeschichte, für die Zuwendung Gottes zu seinem Volk - und über sein Volk zur Welt. Er habe um die wahre Abrahamskindschaft gekämpft, die jedoch immer neu verraten worden sei, zunächst von Juden, später von Christen und zwar von denen mehr als von den Juden. Von der "Verstockung Israels" war in der Vergangenheit oft die Rede. Doch nach dem Holocaust haben wir allen Grund, auch nach der Verstockung der Kirche zu fragen. Christen haben im Holocaust und viele Jahrhunderte früher nicht die Werke Abrahams getan und nicht das Gebot des Messias Jesus befolgt. Einen Ausweg zu einem friedlichen Nebeneinander scheint Pesch die neue Theorie von den zwei gottgewollten Heilswegen zu bieten, indes entspräche diese nicht der Sicht des Neuen Testaments von der gemeinsamen Aufgabe der Kinder Abrahams, unseres Vaters. Vor uns liege mithin noch ein weiter Weg.

Mit "Der Jude Jesus, Israel und die Völker" ist ein anderer Beitrag überschrieben, in dem Pesch klar und unmissverständlich darlegt, dass "Jesus ein Jude - und kein Christ" gewesen sei. Die Nazis allerdings hatten das Judesein von Jesus geleugnet und stattdessen behauptet, er sei ein Arier gewesen. Allerdings sind sich auch Christen, laut Pesch, mitunter nicht bewusst, dass Jesus ein Jude war und als "König der Juden" gekreuzigt worden ist. Dass dem so ist, dürfte indes vielen beim Besuch von Papst Benedikt XVI. am 7. September 2007 in Wien deutlich geworden sein, sagte doch Christoph Kardinal Schönborn, als er den Papst begrüßte: "Auf Christus schauen, heißt auch auf unsere Wurzeln schauen. Petrus war Jude. Die Apostel waren Juden. Maria ist Jüdin und Jesus, der Sohn, unser Herr, ist durch sie Jude. Nie dürfen wir diesen Wurzelstamm vergessen, der uns trägt."

Pesch fragt ferner nach der jüdischen Identität und weist darauf hin, dass im Talmud die jüdische Identität wie folgt formuliert wird: "Jeder, der den Götzendienst zurückweist, wird ein Jude genannt." Jesus aber sei, betont Pesch nochmals mit Nachdruck, ein authentischer Sohn Israels, ein Sohn der Tora, ein "Einzig-Macher Gottes". Mit seinem Sühnetod habe er den Völkern den Zugang zum einen Volk Gottes gebahnt.

Im dritten Aufsatz fragt der Autor, ob Juden und Christen tatsächlich ein einziges Gottesvolk seien und zitiert verschiedene Autoren mit ihren Aussagen zu diesem Thema, zuletzt den jetzigen Papst, der am 18. Dezember 2006 in seiner Ansprache an Mitglieder der jüdischen Vereinigung "B'nai B'rith" hervorgehoben hat: "Juden und Christen sind berufen, sich gemeinsam für die Heilung der Welt einzusetzen durch die Forderung der geistlichen und sittlichen Werte, die auf unseren Glaubensüberzeugungen gründen. Wenn wir ein klares Beispiel fruchtbarer Zusammenarbeit geben, dann wird unsere Stimme bei der Antwort auf die Nöte der Menschheitsfamilie umso überzeugender sein."

Kein Zweifel, Juden und Christen sind durch die moderne Welt herausgefordert. Verknüpft damit sei die Frage, ob der Jude Jesus von Nazaret wirklich die Überlieferung Israels vollendet habe. "Ob Abrahams Auftrag ein Segen zu sein für alle Völker, von Juden und Christen [...] gemeinsam wahrgenommen werden kann?" fragt der Autor und bekennt, dass offen bleiben müsse, wie das zu geschehen habe, wie eine Erneuerung aussehen könne.

Aber so viel ist wohl sicher, dass seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Rückbesinnung auf die Einzigartigkeit des Gottesvolkes gewachsen sei, dass die Rückbesinnung auf die Einzigkeit des Gottesvolkes am Anfang des neuen Weges stehen müsse und dass der Glaube Juden und Christen gleicherweise verpflichtet, die Zukunft als das eine Volk Gottes gemeinsam zu gestalten.

Wer kein glaubens- und bibelfester Christ ist, sondern eher wie einst Johann Wolfgang von Goethes Faust bekennen muss: "Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube", der dürfte sich zuweilen mit Peschs subtilen Ausführungen schwer tun, zumindest dürfte er für manche Überlegungen nicht das rechte Verständnis aufbringen.


Titelbild

Rudolf Pesch: Juden und Christen - ein einziges Volk Gottes? Wisse. Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.
Patmos Verlag, Düsseldorf 2009.
105 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783491725348

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