Leuchtende Finsternis

John Donnes Werke in einer neuen Auswahlübersetzung von Wolfgang Held

Von Christophe FrickerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christophe Fricker

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Muss man die Insel-Bücherei rezensieren? Nein, das kann ich mir sparen. Das Buch ist schön produziert und sorgfältig ausgestattet, wie gewohnt. Muss man John Donne rezensieren? Natürlich auch nicht. Auch in Deutschland ist er gut vertreten. Vielleicht darf man daran erinnern, dass Joseph Brodsky einmal gefragt wurde, was die englische Literatur Donne verdanke; seine Antwort war einfach: „Alles“.

Das ist Polemik, und so braucht man eine Gegen-Polemik. Timothy Steeles Antwort auf die Frage, womit man Donne vergleichen kann, ist „Spinal Tap“. In dem Film über die (sagen wir mal) fiktive Heavy-Metal-Band Spinal Tap zeigt der Gitarrist Nigel seinen Verstärker vor, dessen Lautstärke-Regler „bis elf geht“. Das Ding ist lauter, oder tut jedenfalls so. „Donne goes to eleven“, sagt Steele auch über Donne, immer noch eine Drehung weiter, auch wenn man manchmal nicht wisse warum.

Aber wer würde auch nicht zum Apokalyptiker, wenn er am Frühstückstisch zu Hause Geschichten von seinem als Märtyrer gestorbenen Urgroßonkel Thomas Morus hört, der ebenso wie einige weitere Verwandte für seinen katholischen Glauben litt. Wer würde nicht mit dem Hohn des Überlegenen und dem Gram des Verkannten zu Felde ziehen, wenn er mit elf Jahren das Studium in Oxford beginnt, es aber abbrechen muss, weil er den Treueeid auf die anglikanische Kirche nicht leisten kann? Wer würde nicht überschwengliche Lieder schreiben, wenn er in Europa sein Erbe vertut? Helds Vorwort zeichnet Donnes außerordentliches Leben eindrucksvoll und in angemessen rhapsodischem Ton nach.

Helds Übersetzung entscheidet sich für Reim und Metrum, und das ist auch gut so, auch wenn Donne selbst mit den Metren auf Kriegsfuß stand. Ein ausgeprägtes Bewusstsein von metrischen Tücken und Subtilitäten beweist Held etwa mit einem wohlgesetzten Spondeus auf „vorsichtig“ im Gedicht „Bettzeit“. Den Reim auf „Herz“ umgeht Held souverän, eine schöne Tat ebenso wie „Geist / dreist“ im selben Gedicht. „Testament“ ist am besten gelungen. In diesem rabiaten oder, um es mit Björn Kuhligk zu sagen, ‚rotzigen’ Gedicht schlägt Held zielsicher über die Stränge, und der Donne-Sound kommt richtig ins Rollen.

Der historische Ort von Helds Übersetzung ist unklar. Das Wort „Sex“ im deutschen Titel von „Farewell to Love“ soll wohl Modernität suggerieren, aber Worte wie „allhier, ergötzen, ward, Plage, Rangen, umfahn“ sind nur schwer zu verdauen. Das gleiche gilt für die Wortformen „Eh’r“ und (zumal am Satzanfang) „‘s ist“. Andere Prägungen gelingen ausgesprochen gut: „zerlumpte Zeitlichkeit“ für „rags of time“ oder auch „unlenksam“ für „unruly“.

Donnes Syntax ist unübersichtlich, doch Held hält Schritt. Das Blankvers-Gedicht „Bettzeit“ etwa mit den für den Autor wie für die Gattung charakteristischen ausgreifenden Sätzen bleibt stets deutlich. Wiederum gilt aber: Mit einigen deutschen poetischen Unarten bleibt Held hinter seinem eigenen hohen Niveau zurück. Besonders gilt das für die Tendenzen, Hilfsverben in Nebensätzen auszulassen und Adverbien regellos umzustellen.

Alles in allem ist die Neuübersetzung eine willkommene, handliche Ergänzung zum Donne auf deutsch, lesenswert und – probieren Sie es – vorlesenswert.

Titelbild

John Donne: Erleuchte, Dame, unsere Finsternis. Songs, Sonette, Elegien. Übertragen von Wolfgang Held.
Übersetzt aus dem Englischen von Wolfgang Held.
Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2009.
105 Seiten, 12,80 EUR.
ISBN-13: 9783458193128

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