Wer ist Italiener?

Amara Lakhous schreibt über den Krach in einem italienischen Fahrstuhl

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als „der Gladiatore“ tot im Aufzug gefunden wird, soll Amedeo soll schuld sein, denn er ist verschwunden. Alle wissen etwas über ihn und erzählen es ungebremst: Der Bengale Iqbal mochte ihn, denn Amedeo hat seine Einkäufe immer gleich bar bezahlt. Auch die Hausmeisterin Benedetta weiß Bescheid, die Iqbal für einen Pakistani hält. Außerdem ist da noch Elisabetta, deren kleiner Hund verschwunden ist – sie glaubt, dass die Chinesen ihn gefangen und geschlachtet haben. Oder der holländische Filmstudent Johan, der den Neorealismus liebt, aber den Catenaccio hasst, eine spezielle italienische Erfindung beim Fußballspiel. Er will nichts anderes als einen Film drehen über die Piazza Vittorio, über die seltsamen und normalen Leute und erregt kein Aufsehen. Sie alle glauben, dass Amedeo ein Italiener ist, der „all das verkörpert, was an Italien großartig ist“.

Aber eigentlich heißt er Ahmed, kommt aus Nordafrika, ist hilfsbereit und geduldig, warmherzig und neugierig, liebt die Menschen und leidet tief in seinem Inneren. Er spricht perfekt Italienisch, ist zu allen freundlich, hilft Parviz, der im Iran ein Koch in seiner Heimat war und in Rom, weil er Pizza und Pasta hasst, als Tellerwäscher arbeiten muss. Immer wieder versinkt er in tiefe Depressionen. Es ist ein witziges kleines Buch über Vorurteile und die italienische Gegenwart, über die legalen Einwanderer und die Clandestini. Philosophisch und lebensklug ist es noch dazu: Denn nur eine Wahrheit kann es nicht geben. Es gibt viele, und manche sind in Rom, wie in allen Ländern, auch mal fremdenfeindlich gefärbt.

Amara Lakhous wurde 1970 in Algier geboren, wo er Philosophie studierte. Seit 1995 lebt er in Rom, studiert interkulturelle Beziehungen und arbeitet zurzeit an einer Dissertation über arabische Immigranten in Italien. „Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio“ ist sein erstes Buch in deutscher Übersetzung.

Titelbild

Amara Lakhous: Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio.
Übersetzt aus dem Italienischen von Michaela Mersetzky.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2009.
154 Seiten, 10,90 EUR.
ISBN-13: 9783803126085

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