Mythos Romy Schneider

Ein Sammelband von Thomas Koebner und Fabienne Liptay widmet sich der Vielseitigkeit der berühmten Schauspielerin

Von Frauke SchlieckauRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frauke Schlieckau

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Romy Schneider ist ein Name, der so bekannt ist wie die Sissi-Trilogie, der sie ihren Erfolg verdankt. Sie ist eine der berühmtesten deutschen Schauspielerinnen, deren Werk dennoch der breiten Masse zum Großteil unbekannt geblieben ist. Die Rollen, die sie nach „Sissi“ in 55 weiteren Filmen spielte, sagen den meisten Menschen wenig bis gar nichts. Romy Schneider, sie ist vor allem ein Synonym für eine tragische Biografie, die in der Tat einem Film entsprungen sein könnte – und nicht zuletzt auch aus diesem Grunde gegenwärtig verfilmt werden soll. Wie schwer es für potenzielle Romy-Miminnen werden wird, an die darstellerische Qualität des Originals heranzureichen, zeigt ein Blick auf das Œuvre Romy Schneiders, das im Fokus des in der Reihe „text & kritik“ erschienenen Sammelbandes „Romy Schneider“ steht, mehr als deutlich.

Die Vielseitigkeit und das breite Spektrum an Charakteren, die die 1938 in Wien geborene Schauspielerin verkörperte, haben Thomas Koebner und Fabienne Liptay in ihrem Sammelband umfassend anhand der von Schneider gespielten Rollen herausgearbeitet.

Ein solches Vorgehen eröffnet vor allem eins: eine neue Perspektive auf einen deutschen Mythos. Im Mittelpunkt des Werkes steht das Lebenswerk Romy Schneiders und nicht ihr Leben – ihre allseits bekannte Biografie wurde von den beiden Autoren dankenswerterweise nur in einer kurzen Notiz aufgenommen. Ganz loslösen lässt sie sich von Romy Schneiders Werk und Erfolg dennoch nicht. Der große Durchbruch gelang Schneider 1955 mit „Sissi“, ihre Rebellion gegen die Prinzessinnen-Rolle und die dominanten Eltern, Mutter Magda Schneider und Stiefvater Herbert Blatzheim, die dramatische Liebesgeschichte mit Frankreichs Herzensbrecher Alain Delon, ihr Selbstmordversuch, sowie der dramatische Tod von Sohn David 1981, sind bereits für Publikationen ausgeschlachtet und immer wieder aufbereitet worden. Verständlicherweise, denn ihr Leben ist nicht nur Einzelschicksal, sondern spiegelt auch „exemplarisch den Wandel der Gesellschaft von den biederen 1950er Jahren der Adenauer-Ära zum Aufbruch der Frauenbewegung in den 1970er Jahren“. Die Personalie Romy Schneider ist nicht zuletzt eine „repräsentative Doppelstudie“. Die Schauspielerin in ihren Rollen ist dabei allerdings oftmals zu Unrecht unter den Tisch gefallen. Denn eine Analyse ihres Werkes, das zeigen die Herausgeber Koebner und Liptay, ist nicht nur lohnenswert, sondern vermittelt durchaus neue Erkenntnisse. In der Kernaussage sind sich die Autoren des Bandes einig: „Die Erniedrigung einer Schauspielerin auf eine Peepshow, die in bestimmten Momenten Einblicke in das Seelenleben der Privatperson ermöglicht, ist das ultimative Todesurteil für die Schauspielerin Romy Schneider“.

Die Überpräsenz der Figur der „Sissy“ ist etwas, was sie nie losgeworden ist. Den Sammelband mit einem von Elfriede Jelinek verfassten Beitrag mit dem programmatischen Titel „Die Kaiserin ohne Möglichkeit“ zu eröffnen, ist daher mehr als eine Konsequenz der Chronologie. Es ist eine interessante These, die Jelinek aufstellt und die auch das Interesse an Romys Biografie in einen neuen Zusammenhang mit ihren Rollen setzt. „Man hat ihr gesagt, was sie sagen soll, und sie hat es gesagt, als ob sie es wüßte, aber nicht: besser wüßte, denn sie hat zumindest geahnt, daß sie immer nur sie selbst sein konnte […] aber sie selbst, das können viele sein, so wie viele in einem selbst enthalten sein können.“ Die österreichische Autorin trifft hier den Kern von Romys Talent und ihrer Problematik als Schauspielerin gleichermaßen.

Auf wie viele Art und Weisen Romy also sie selbst sein konnte, zeigen auch die dem Text von Elfriede Jelinek folgenden Beiträge, die Armin Jäger mit einer Betrachtung zur „exzentrischen Schauspielerin“ abschließt, nachdem er bereits Romy Schneider in ihren Visconti-Filmen in Augenschein genommen hat. Wie sehr Romy in ihren letzten Filmen das Bild der anmutigen, fröhlichen und charismatischen jungen Frau unterminiert, in dem sie ihren Rollen jegliche emotionale Berührbarkeit nimmt und stattdessen Härte, Hässlichkeit, Kälte und grimmige Entschlossenheit in ihre Figuren legt, wird an Hand der Untersuchung von „Le Trio Infernal“ und „Nachtblende“ deutlich und zeigt die Kluft, aber auch die Spannbreite zwischen den „Mädchenjahren einer Kaiserin“ und Romys letzten Arbeiten. Dazwischen schreibt René Ruppert über Romy Schneider in Remakes der 1950er-Jahre, Claudia Mehlinger über „La Schneider“ als femme fatale und femme fragile und Daniela Sannwald über ihr Mitwirken in französischen Zweite-Weltkriegs-Filmen. Dies sind nur einige Facetten Romy Schneiders, ihnen allen liegt aber ein gemeinsamer Nenner zu Grunde, Romys wohl größtes Kapital, ihr Kameragesicht. Ihm hat Manuela Reichert einen eigenen Beitrag gewidmet.

Was Romy mit diesem Gesicht, vor allem mit ihren Augen anstellen konnte, verdeutlicht Manuela Reichert an einer Auswahl von Rollen, die teilweise in Vergessenheit geraten sind, wie die der Leni in der Kafka-Verfilmung „Der Prozess“. Romy Schneider war keine hochartifizielle Darstellerin, aber eine genuine Kinoschauspielerin, deren Spiel „enorme Ausdruckskraft, in den Bann ziehende Mimik und Schönheit, ein inniges Verhältnis zur Kamera“ beinhaltete. Romy Schneider war „eine durch und durch empfindsame Schauspielerin, eine die sich von ihren Rollen, ihren Figuren berühren lässt, zu ihnen keine Distanz hält“ – keine Distanz halten konnte. „Bei aller Lebendigkeit, und das macht die Faszination und das Geheimnis ihrer Präsenz aus – ist sie keine große, keine wandlungsfähige Schauspielerin, die sich mit Haut und Haar in die Rolle hineinbegibt, vielmehr holt sie die Figur mit Haut und Haar zu sich selbst, verleibt sie sich ein. Sie wollte stets die sein, die sie selbst spielte, machte aber in Wahrheit jede Figur zu einer Variante ihrer selbst.“

Das, was Romy Schneider in all ihre unterschiedlichen Rollen gelegt hat, war nicht nur ein Teil von sich, sondern es waren viele verschiedene Teile. Sie hat konträr zu den Forderungen Denis Diderots gearbeitet, der dem Bühnenkünstler künstlerischen Scharfblick verbat und ihm den Verzicht auf „jede tiefe Empfindung“ verordnete, da er davon ausging, „nur die Kunst der Verstellung, Wirkungskraft der Maske, könne beim Zuschauer die intendierten Gefühle hervorrufen.“

Romy selbst legte sich in jede Rolle, sie sah ihre Arbeit als ein Geschäft mit sich selbst an. Am Ende des Sammelbandes sind es daher wieder die anfänglichen Worte Jelineks, die einem nun auch zum Ende von Romys Karriere in den Sinn kommen: „Am Schluss war sie auf einer Spitze stehenden Möglichkeit des Verschwindens, eine Möglichkeit, die sie wahrnehmen mußte, weil diese Möglichkeit sich schließlich ihrer angenommen hatte, als der Tod, und diese Möglichkeit hat sie auch noch ergreifen müssen, sie konnte nicht anders, sie mußte jede Möglichkeit ergreifen […], bevor sie, diese letzte Möglichkeit, ihr noch zur Fiktion werden und durch die Finger rutschen konnte, also bevor sie den Tod auch noch spielen durfte. Und in diesem Tod auch nie etwas anderes sein konnte als sie selbst war, diesmal aber wirklich. Ehrlich! Den Tod hätte sie gespielt, wäre er nicht wirklich gekommen. Und daher ist sie am Ende ja auch mit sich selbst verlorengegangen, sie mußte ja stets mit sich mitgehen, wohin auch immer, mit und auf ihrem eigenen Fleisch.“

Titelbild

Thomas Koebner / Fabienne Liptay (Hg.): Romy Schneider. Film-Konzepte Heft 13.
edition text & kritik, München 2009.
110 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783869160016

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