Entzauberter Magier

Stefan Franks neues Buch „Die Weltvernichtungsmaschine“ über hässliche Blasenbildung, den möglichen Staatsbankrott und Ex-US-Notenbankchef Alan Greenspan

Von Laslo ScholtzeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Laslo Scholtze

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

So haarsträubend die Praktiken der Banker waren – lächerlicher als der smarte Spekulant steht derjenige da, der ihm seine opulenten Crash-Spesen finanziert. Tatsächlich könnte es sich noch als größter Schaden der Krise herausstellen, dass weder die moralische noch die finanzielle Haftung derer durchgesetzt wird, die die Katastrophe mutwillig herbeigeführt haben. Helmut Schmidt bereitete uns schon vor Monaten darauf vor, dass es gegen die Mehrzahl der Verantwortlichen keine Handhabe gebe, so bitter das auch sei. Nun müssten Banken gerettet und die Konjunktur von staatlicher Seite notbeatmet werden.

Wer aber wie Stefan Frank in seinem Buch „Die Weltvernichtungsmaschine“ die zentrale Ursache der Finanzkrise in zu viel und zu billigem Geld sieht, kann sich über Staatslenker nur wundern, die noch mehr geliehenes Geld ins System drücken. Denn nicht wirtschaftliche Substanz und Effektivität, sondern lediglich der Wert der abgestürzten Anlagen werde so künstlich wieder gesteigert. „Die jetzige Politik, die darin besteht, das zu stützen, was fallen muss, legitimiert den durch die Kreditexpansion geschaffenen Pseudowohlstand, während die Gesellschaft dafür zahlt.“ Die Blase der Staatsschulden schwillt bedrohlich, das System wird immer krisenanfälliger.

Mit der geldpolitischen Wegbereitung des Crashs ist ein Name wie kaum ein anderer verbunden: Alan Greenspan, US-Notenbankchef von 1987 bis 2006. Als treuer Freund aller Finanzjongleure bekämpfte er hartnäckig jeden Versuch, im Spekulationsgeschäft für Kontrolle und Transparenz zu sorgen, schob alle beiseite, die auch nur für eine gemäßigte Regulierung eintraten, lobte ausgiebig die explosivsten Finanzprodukte der Wall Street, wollte bis kurz vor dem Riesenknall nichts von einer Blase wissen und sorgte vor allem mit Niedrigstzinsen dafür, dass der Party der Schampus nicht ausging.

Stefan Franks „Die Weltvernichtungsmaschine“ lässt sich in weiten Teilen als Demontage dieses Mannes lesen, der über Jahre als „Magier“ der Finanzmärkte galt. „Greenspans Trick waren Schulden“, notiert Frank nüchtern. Wenn die Verschuldung von Regierung, Unternehmen und Privatleuten in den USA um 13 Billionen steigt, müsse man bei einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukt von 4 Billionen nicht von „Magie“ sprechen, sondern eher von einem relativ schwachen Boom – nur 31 Cent Wachstum pro Schulden-Dollar.

Noch Ende 2006 bekundete Greenspan wiederholt, das Schlimmste habe man wohl hinter sich. Davor hatte er mit dem damaligen Finanzminister und späteren Citigroup-Direktor Robert R. Rubin den amerikanischen Kongress nachdrücklich aufgefordert, von einer Regulierung des Derivatenhandels abzusehen. Anschließend initiierte er ein Gesetz, das jegliche staatliche Kontrolle über Derivate untersagte. Schließlich half er sogar bei der Vermarktung dieser Anlagemöglichkeiten: Er sprach von einem „soliden“ Markt „nahezu risikoloser Wertpapieren“ und nannte hochgradig strukturierte Kreditverbriefungen „würdige Kandidaten für eine Ablösung der Staatsanleihen“. Allen Krisenvorboten zum Trotz heizte Greenspan den Blindflug genau jener Finanzprodukte an, die sich kurze Zeit später als Schrott erwiesen.

Ein Guru allein nützt natürlich nichts. Es ist ein omnipräsenter, vielstimmiger Chor vermeintlicher Experten, der flächendeckend Desinformation betrieb: Die Wirtschaftsweisen unter Leitung von Bert Rürup traten in Deutschland noch Ende 2007 für eine weitere Deregulierung der Finanzmärkte ein und prognostizierten einen „Anstieg der Wirtschaftsleistung“. Hans-Werner Sinn, um treffsichere Prognosen nie verlegen, wusste im März 2008, dass „die Konjunktur an Schubkraft gewonnen hat“. „FAZ“-Börsenkorrespondent Heiko Thieme „empfahl seit 2008 immer wieder die Aktien von Hypo Real Estate („gestaffelt einsteigen“), AIG und General Motors zum Kauf“. Mit einer bemerkenswerten Recherche-Leistung skizziert Frank, wie sich diese Einzelstimmen zu einem neoliberalen Meinungsbollwerk zusammenfinden.

Sein eigenes Licht als Prognostiker stellt Frank dabei nicht unter den Scheffel: Bereits seit 2002 kommentiert er treffend die fragile Situation am US-Hypothekenmarkt und der sich zuspitzenden Situation an den Finanz- und Kreditmärkten. Das hat anscheinend selbst die „FAZ“ so beeindruckt, dass sie sein Buch zur Lektüre empfiehlt.

Und tatsächlich beherrscht Frank die eloquente Reduktion von Komplexität. Die Hintergründe der „modernen Finanzalchemie“ und den Weg „von der Goldmünze zum synthetischen CDO“ erklärt er leichtfüßig und mit feiner Ironie. Was erhellt, ist dennoch nicht heiter: „Es ist ein Irrtum zu glauben, was Lehmann Brothers widerfahren ist, könne nicht auch einem Staat passieren. Man wirft Banken vor, sie hätten Risiken übernommen, die ihre Finanzkraft weit übersteigt – und nun machen die Staaten genau das Gleiche.“ Dass in der Londoner City die Laune wieder steigt, alte Kräfte gebündelt und gegen etwaige äußere Einflussnahmen in Stellung gebracht werden, zeigt an, wohin die Reise geht.

Titelbild

Stefan Frank: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise.
Conte-Verlag, Saarbrücken 2009.
180 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783936950946

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