Dauerhaft Ungewöhnliches

Geret Luhr über die Zeitschrift "Exil"

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Seit nunmehr fast 20 Jahren liefert die Zeitschrift "Exil" das, was sie im Untertitel verspricht: "Forschung, Erkenntnisse, Ergebnisse". Für ein finanziell unabhängiges, im Selbstverlag herausgegebenes Projekt - verantwortlich zeichnen Edita Koch und Frithjof Trapp, Leiter der Hamburger Arbeitsstelle für deutsche Exilliteratur - ist das eine erstaunliche Leistung. Kontinuierliche Beachtung hat die zweimal jährlich erscheinende Publikation wohl vor allem wegen ihres besonderen Profils gefunden. In keinem anderen thematisch vergleichbaren Organ versammelt sich so viel Verschollenes und Vergessenes wie in der Zeitschrift "Exil". Hier erhält der Exodus als menschliches und nicht nur als literarisches und künstlerisches Phänomen eine Stimme; auch indem sich Exilanten in der Zeitschrift die Gelegenheit bietet, ihre Exilerfahrung literarisch aufzuarbeiten. Von welchem Wert das sein kann, davon werden alle mit Mentalitäts-, Alltags- und Kulturgeschichte befassten Forscher einen Begriff haben.

Gleichwohl kann "Exil" auch Quellenpublikationen von Autoren vorweisen, die zum Kanon gehören. Im ersten Heft des Jahres 1999 finden sich so zum Beispiel Dokumente aus dem Pariser Exil des Alfred Kantorowicz, aber auch unveröffentlichte Briefe von Thomas und Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger, Stefan Zweig, Sigmund Freud, Albert Einstein und anderen. Diese Briefe sind von den Exilanten als Glückwunschschreiben anlässlich der Einweihung der Pestalozzischule in Buenos Aires verschickt worden - und stellen jeweils einen Spiegel ihrer Verfasser und deren Verfassung im Exil dar.

Hauptsächlich bestehen die Bände jedoch aus wissenschaftlichen Aufsätzen, die sich immer wieder auch entlegenen Themen annehmen. Und dies wohl deshalb, weil die Zeitschrift sich auch für Autoren öffnet, die gerade erst oder (noch) nicht promoviert sind und die hier die Chance erhalten, ihre Forschungsergebnisse in kondensierter Form vorzustellen.

Während das erste Heft weiterhin Aufsätze über Martin Gumpert sowie über die Verlagsarchive von Allert de Lange und Querido enthält, widmet sich Heft zwei des Jahres 1999 anlässlich seines 50. Todestags vornehmlich dem Werk von Heinrich Mann. Unter anderem wird dort etwa die Bedeutung nachgewiesen (von Michael Zweigart), die die Philosophie Georg Simmels für Konzeption und Struktur der Henri Quatre-Romane Heinrich Manns gehabt hat, und die Italien Perzeption im Frühwerk Heinrich Manns untersucht (Sabine Russ).

Wirklich unverzichtbar wird der Exil-Interessierte jedoch die jeweils dem zweiten Jahresband zugefügte "Chronik" finden, die sorgsam das Exil betreffende Gedenk, Geburts- und Todestage aufführt, Veranstaltungen zum Exil auflistet und "Hinweise" bietet, in denen die monographischen Veröffentlichungen zum Thema nach Art einer fortlaufenden Bibliographie zusammengestellt werden.