„Die Heimat ist immer da, sie ist immer im Menschen.“ – Kurban Said schreibt mit „Das Mädchen vom Goldenen Horn“ einen Roman, der ein frühes Beispiel deutschsprachiger Migrationsliteratur darstellt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist 1938, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, als in Wien ein Roman veröffentlicht wird, der auf den ersten Blick nicht in diese Epoche zu passen scheint. Denn liest man „Das Mädchen vom Goldenen Horn“ von Kurban Said alias Essad Bey (1905–1942), so ist man erstaunt über die Themen des Buches, die aktueller sind denn je und von Politik und Gesellschaft intensiv diskutiert werden: Es geht um Migration, Integration und Interkulturalität.

Im Mittelpunkt des Buches stehen zwei junge Menschen, deren Leben in den Kreisen der hohen Istanbuler Gesellschaft durch den Untergang des Osmanischen Reichs einen plötzlichen Bruch erleidet. Denn sie verlieren nicht nur Reichtum und Ansehen, sondern durch die Emigration nach Deutschland beziehungsweise in die USA Mitte der 1920er-Jahre auch Sprache und Heimat.

Wie sie ihr neues Leben in einer für sie fremden Umgebung meistern, welche Strategien sie anwenden, um den Verlust östlicher Tradition und Identität zu kompensieren und zugleich den Anforderungen einer modernen Leistungsgesellschaft gerecht zu werden, das schildert der in Baku aufgewachsene und später zum Islam konvertierte russisch-jüdische Schriftsteller auf eine Weise, die seine eigenen Erfahrungen als Flüchtling im Europa der Zwischenkriegszeit mit durchklingen lassen. Die Lösungsmöglichkeit, die der Roman schließlich beiden Protagonisten anbietet, ist dabei so einfach wie ungewöhnlich.

B.S.

Titelbild

Kurban Said: Das Mädchen vom Goldenen Horn. Roman.
Mit einem Vorwort von Behrang Samsami und einem Nachwort von Radhia Shukrullah.
Verlag Hans-Jürgen Maurer, Freiburg im Breisgau 2009.
270 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783929345438

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