Schnell und hart

„Schwarze Küsse“ von Joaquín Guerrero-Casasola: Ein Roman aus Mexiko als mögliche Comic-Vorlage

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was ist das denn?, so fragt man sich, wenn man „Schwarze Küsse“ gelesen hat. Dieser äußerst düstere Kriminalroman aus Mexiko City wirkt im Vergleich zu zeitgenössischen Werken des Genres wie ein archaischer Fremdkörper. Gil Baleares hat nach einer spektakulären Befreiungsaktion, die mit einer fürstlichen Entlohnung verbunden war, seinen anstrengenden Polizeijob beendet. Seitdem hat der Geschiedene ein wenig am Luxus geschnuppert, sich im Müßiggang eines Faulpelzes zu üben versucht und mit Teresa Sábato eine Geliebte nach seinem Geschmack gefunden.

Doch auch diese Beziehung hielt nicht lange. Da kommt es ihm gerade recht, dass ihn ehemalige Kollegen anzuwerben versuchen, die einen mysteriösen und gefährlichen Sondereinsatz planen, wozu sie erfahrene Leute benötigen. Nach einigem Zögern sagt Gil schließlich zu, da sein neuer Vorgesetzter ihm in Aussicht stellt, ihm bei der Suche nach seinem entführten Vater zu helfen. Der Auftrag, den er und sein Partner Wintilo erhalten, lautet, den Sohn von Richter Oviedo zu finden. Dieser Roberto steht unter dem Verdacht, im Transvestitenmilieu, wo er unter dem Namen Maika bekannt ist, mehrere Morde begangen zu haben und, dem „Z“ von Zorro gleich, am Tatort schwarze Küsse auf den Ermordeten zu hinterlassen.

Gil und Wintilo haben sehr ungewöhnliche Ermittlungsmethoden, sie gehen brutal vor, scheinen keine Regeln zu haben beziehungsweise haben offenbar nichts zu befürchten, sollten sie einmal über die Stränge schlagen. Mit ordentlichen Verhältnissen, Dienstaufsichtsbeschwerden und anderem Kleinkram, wie wir es aus dem „Tatort“ kennen, hat diese Polizei nichts am Hut. Auch die Einsatzzeiten des ruppigen Duos sind ungewöhnlich, auch wenn das zu observierende Milieu dies noch rechtfertigen könnte. Neben dieser Ermittlungsarbeit schildert der 1962 in Mexiko geborene Joaquín Guerrero-Casasola Gils wachsende Ungeduld in Bezug auf den Fortgang der Bemühungen bezüglich seines entführten Vaters. Da hier nichts vorankommt, vermutet er zusehends, lediglich damit gelockt worden zu sein und nun hingehalten zu werden.

Das dritte Thema in diesem rasanten, aber etwas einfallslos erzählten Buch ist Gils Ex-Geliebte, die, obwohl sie sich von ihm getrennt hat, immer wieder bei ihm auftaucht. Offenbar kommt sie nicht von ihm los, weswegen jede Begegnung unweigerlich zu Sex führt, woran beide nach wie vor großen Spaß haben, auch wenn Teresa es danach jedesmal bereut und ihn schnell wieder verlässt. Der Autor schafft es nur bedingt, diese drei Stränge einigermaßen logisch und mit sinnvollen Entwicklungen voranzutreiben, am ehesten gelingt es ihm beim Hauptstrang, der Suche nach Roberto.

Hier geschieht am meisten, die anderen beiden Themen sind, je länger man ihnen folgt, eher enervierend, da Guerreo-Casasola nichts Neues einfällt. Seine derbe Sprache, die unzähligen Obszönitäten und Brutalitäten machen aus „Schwarze Küsse“ ein grotesk überzeichnetes künstliches Buch, das für mich perfekt als Comic funktionieren würde. Der García Marquez-Schüler und Drehbuchautor glänzt vor allem mit seinem Tempo und in den Dialogen, den harten Szenen, die nach einer schwarz-weißen, grobkörnigen visuellen Umsetzung schreien. Außer den völlig inakzeptablen Polizeimethoden erfährt der Leser wenig aus diesem Land und seiner gänzlich aus den Fugen geratenen Hauptstadt – politische und/oder gesellschaftliche Verhältnisse wollte Joaquín Guerrero-Casasola mit seinem wilden Buch wohl nicht ansprechen.

Titelbild

Joaquin Guerrero-Casasola: Schwarze Küsse. Roman.
Übersetzt aus dem mexikanischen Spanisch von Verena Kilchling.
Kein & Aber Verlag, Zürich 2009.
208 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783036955490

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch