Weltensprünge

Brigitte Kronauers Roman „Zwei schwarze Jäger“ begeistert durch poetisches Hakenschlagen

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Schriftstellerinnen sind unvernünftige Geschöpfe. Sie hetzten realen Welten nach.“ Und das ist gut so. Denn wer sonst würde uns diese „reale Welt“ ins Surreale, Überreale verzaubern? Sie zerbrechen lassen und liebevoll wieder zusammensetzen, zu einer neuen Welt, die jetzt auf eine poetische Art sinnvoll geworden ist? So wie Rita Palka. Ganz leicht hat sie es dabei nicht. Denn zwar wird sie von ihrem Verehrer Schüssel zu einer Lesung auf ein Schloss in der Provinz eingeladen. Aber dann begrüßt sie der Bürgermeister als Ida Palmer und die „acht Camouflagezuhörer“ sind offensichtlich mehr oder weniger zwangsverpflichtet worden.

Nun ist sie aber mal da und liest dann halt vor, aus ihrem Text „Zwei schwarze Jäger“ über die Skulptur in der römischen Villa Borghese: zwei Jäger, die Löwen an der Leine führen, aber auch selbst gefesselt sind, ein schönes Sinnbild für sehr viele menschliche Zustände: Liebe und Ehe, Beruf und Leben. Die Lesung aber endet in einem Knall: die Ehefrau des Gastgebers zerschlägt eine Porzellankopie des Steinbilds. Im nächsten Text, den Rita vorliest, geht es um eine Grotte, die ihr schon aus dem Mund von Frau Schüssel entgegengähnte. Aber nun beginnt Rita zu improvisieren, die Erzählung weitet sich aus auf das Schloss und die Anwesenden, und der Roman „Zwei schwarze Jäger“, in dem Brigitte Kronauer eine assoziationswütige Autorin vorführt, gerät zum Spiegelbild einer vielfach verflochtenen, sich pulsierend mal ausweitenden, mal verengenden Welt.

Palka und Kronauer erzählen vom Künstler Fritz Grosse, Künstler und Spezialist für Schüttelreime, befreundet mit einer Zahnärztin und einer Steuerberaterin, vom Lektor Heiner Krapp, der sich in den Kellner Rolf verliebt, von der Kassiererin Hilde Tisch, die sich eine Zukunft als Prostituierte Uschi erträumt, und von der kleinwüchsigen Mörderin Wally Mülleis. Wie immer bei Kronauer ist jedes Detail wichtig, verweist auf etwas anderes als die bloße Wirklichkeit, auf Zusammenhänge und Epiphanien, auf die Natur und die Natur des Menschen. Nur nicht auf eines: auf Sicherheit.

Die Welt ist instabil bei Kronauer, sie vibriert, schlägt Falten, in denen wir andere Welten sehen können. Nichts muss so sein, wie wir es sehen und bezeichnen: Auch die Sprache, die so einfach zu sein scheint, wirft bei Kronauer sinnstörende und sinnstiftende Wellen. Ist elegant und spröde, poetisch und selbstironisch, genau und in kühn komponierte Bruchstücke zerlegt, die mal passen, mal nicht zu passen scheinen. Immer wieder schlägt sie Haken und macht Sprünge, kommt scheinbar zurück und erzählt doch wieder neu und anders, dass es nur so eine Freude ist. Wenn je jemand den Büchnerpreis zu Recht bekommen hat, dann ist es Brigitte Kronauer.

Titelbild

Brigitte Kronauer: Zwei schwarze Jäger. Roman.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2009.
290 Seiten, 21,90 EUR.
ISBN-13: 9783608938852

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