Kleinster gemeinsamer Nenner

Das Interesse ihrer Kunden an Autorenporträts haben die Internet-Buchhändler längst erkannt. Und doch finden sich auf ihren Seiten meist nur die immer gleichen Kurzbiogramme, aus technischen und rechtlichen Gründen

Von Anna DingesRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anna Dinges

Ein Besuch auf der Buchverkaufssite eines Online-Händlers: kühles Weiß mit schwarzen Textzeilen überzieht den Bildschirm; einziger Farbfleck – das Cover. Daneben stehen die allgemeinen Buchdaten mit allen Infos, die einen potentiellen Kunden mehr oder minder interessieren könnten: vom Erscheinungsdatum und der Seitenzahl über den Verlag und die ISBN bis hin zum Gewicht und den Buchmaßen. Doch der Schöpfer des angepriesenen Werkes? Wird der nur namentlich in kleiner, unauffälliger Schrift über dem Werktitel erwähnt?

Nicht ganz: Meist sind sich die Online-Buchhändler durchaus der Bedeutung des Buchverfassers bewusst, insbesondere, wenn es um Bestseller-Autoren geht. So findet sich auf den meisten Websites – teils versteckt, weit unter den Kundenrezensionen, teils offensichtlich unter dem Klappentext – ein kleiner Absatz mit dem Zusatz „Autoren-“ oder „Personenporträt“, „Über den Autor“ oder ganz prägnant „Autor“ oder „Biographie“.

Schöner Mehrwert

Laura-Linda Kloep vom buch.de-Team nennt solche Absätze einen „schönen Mehrwert für den Kunden“. Auch für andere Anbieter ist die Bereitstellung einer Vielzahl an Informationen für den Kunden ein Anliegen: „Am besten ist es natürlich, so viele Infos zum Buch wie möglich zu bieten, damit sich der Kunde so umfassend informieren kann, wie er das möchte“, sagt Melanie Rademacher von hugendubel.de. Kathrin Claußnitzer, Produktmanagerin für Buch und Medien der libri.de Internet GmbH meint: „Aus meiner buchhändlerischen Erfahrung interessieren sich Kunden sehr dafür, wer ein Buch geschrieben hat“. Sie merke, dass Bücher mit nur wenigen Zusatzinformationen schlechtere Verkaufszahlen erzielen als damit reich ausgestattete Angebote.

So vielversprechend diese Statements auch klingen: Was sich unter dem „Personenporträt“ auf einer Buchverkaufsseite verbirgt, ist oft mager. Anstatt persönliche Eindrücke einer Begegnung mit dem Autor, Passagen eines Gesprächs oder Anekdotisches zu lesen, wie man es von jedem klassischen Porträt erwarten darf, findet sich hier leider meist nichts anderes als die trockene Wiedergabe einiger Lebensdaten.

Schnöde Monokultur

Zudem erscheinen auf nahezu allen Websites von Buchhändlern dieselben so genannten Autorenporträts. Woran diese Einheitlichkeit liegt, offenbart ein Blick auf die Verflechtungen der Branche: Weltbild.de, buecher.de und jokers.de sind unter dem Dach der Verlagsgruppe Weltbild versammelt. Zu einer zweiten großen Kooperationsgruppe, der buch.de Internetstores AG, gehören buch.de, bol.de und die Internetauftritte der Thalia Holding GmbH.

Doch die Verflechtung der Online-Buchhändler geht noch weiter. Die meisten Online-Buchhändler Deutschlands beziehen ihre Daten von den beiden großen Barsortimenten Libri und KNV, die wiederum direkt von den Verlagen beliefert werden. Allein Libri.de bedient „über 1.000 Partnersites, die die Inhalte und Daten zu hundert Prozent übernehmen“, sagt libri.de-Produktmanagerin Claußnitzer, „wobei die Sites in ihrem eigenen Look und Feel gestaltet sind“. Die Übereinstimmung ist also kein Wunder.

Allerdings gibt es hie und da Lichtblicke in der Einöde der Autorenporträts. Insbesondere bei Bestseller-Autoren wie Dan Brown oder Joanne K. Rowling scheinen die verwandtschaftlichen oder kooperativen Datenbezugsbeziehungen ein wenig in den Hintergrund zu treten. Zu diesen Stars erscheinen die unterschiedlichsten Autoreninfos. Das Porträt enthält nicht mehr nur die bloßen Lebensdaten, sondern auch persönlichere Hinweise, von J. K. Rowling beispielsweise ist zu erfahren, dass sie schon mit sechs Jahren ihre erste eigene Geschichte geschrieben und mit neun Jahren alle Bücher von James-Bond-Vater Ian Fleming durchgelesen hat. Viel ist auch das noch nicht, aber es reicht, damit sich solche Texte gleich viel schöner lesen als die schlichte Angabe, dass die Autorin 1965 geboren wurde und 2001 zum zweiten Mal geheiratet hat.

Begrenzte Möglichkeiten

Bol.de und libri.de küren zudem einen „Autor des Monats“. Allein schon der Titel verspricht mehr Aufwand als sonst, zudem ist die Rubrik prominent in der linken Seitenspalte gleich unter dem Punkt „Aktuelles“ platziert. Doch das Angebot ist enttäuschend: Statt eines klassischen Porträts, eines Interviews oder sogar Videoclips findet sich hier derselbe Text, der auch auf der Verkaufsseite eines Buches erscheint, ergänzt lediglich um ein Bild des Verfassers. Warum solche Porträtfotos nicht auch gleich bei den normalen Autoreninfos publiziert werden? Die Bilddaten werden von den Verlagen einfach noch nicht standardisiert mitgeschickt. Melanie Rademacher von hugendubel.de verweist zudem auf die Rechteproblematik bei Autorenfotos: Man müsste, erklärt sie, die Erlaubnis zur Abbildung von den einzelnen Fotografen oder Agenturen einholen und sie, falls der Verlag das nicht pauschal übernommen hat, auch gesondert honorieren. Außerdem verfügen manche Websites schlicht nicht über die technischen Voraussetzungen für die Einspeisung eines Bildes. Im Unterschied zu libri.de präsentiert bol.de neben dem Bild meist noch einen kleinen eigenen Text, bevor der übliche Porträttext und Pressestimmen angezeigt werden. Autor des Monats waren bei libri.de im April Val McDermid und im Mai Dan Brown. Bol.de präsentierte Stieg Larsson als Autor des Monats Mai.

Wer diesen Status erhält, entscheidet bei libri.de nach Angabe Kathrin Claußnitzers eine Redaktion. „Entscheidend dafür ist, ob es gerade einen aktuellen Titel des betreffenden Autors gibt, der besonders im Focus steht“, sagt die Produktmanagerin. Der neue Titel von Dan Brown, „The lost symbol“, erklärt also seine Wahl zum Autor des Monats Mai bei libri.de – lange bevor das Werk Mitte September im Original und Mitte Oktober in deutscher Übersetzung erschienen ist.

Die Websites der beiden großen Buchhandelsketten Hugendubel und Thalia dürften inhaltlich aus dem Vollen schöpfen, produzieren die beiden Unternehmen doch für ihre Kunden eigens die Zeitschriften „Büchermenschen“ und „Thalia Magazin“, wahre Schatzkisten mit informativen Porträts, Autoreninterviews und anderen Specials. Es müsste ein leichtes sein, das hauseigene Material im Internet zu lesenswerten Autoren- oder Themen-Specials zu bündeln. Doch Melanie Rademacher winkt ab: Hier werden die Grenzen zwar nicht durch technische Bedingungen gezogen, aber die Inhaltsrechte des Hugendubel-Kundenmagazins „büchermenschen“ liegen bei der Nürnberger Agentur imr, deren Redakteure für den Inhalt verantwortlich sind. Hugendubel.de darf einzelne Artikel nicht frei auf die Verkaufsseiten betreffender Bücher oder Autoren verlinken, auf der Website darf das Heft lediglich als PDF-Download angeboten werden.