Karthago nach seiner Zerstörung

Bernd Hertling erzählt nicht authentisch, aber unterhaltsam

Von Stefan CernohubyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Cernohuby

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Legende zufolge wurde Karthago von den Römen erobert und eingeebnet. Seine Erde wurde mit Salz vermengt, damit an jenem Ort nie wieder das Zentrum einer Zivilisation entstehen konnte. Doch wie so meist entsprechen diese Legenden nur in Teilaspekten der Wahrheit, denn Karthago ging nach seiner Eroberung im römischen Reich auf und war lange Jahrhunderte Teil desselben. Vom Ende dieser Zeitperiode erzählt der Roman „Habichte über Karthago“ von Bernd Hertling.

Wir befinden uns im Jahr 429 vor Christus. Die Völkerwanderung ist in vollem Gange und beschränkt sich nicht, wie die meisten Leute heutzutage glauben, auf den europäischen Kontinent. Denn die Vandalen unter König Geiserich haben auf den afrikanischen Kontinent übergesetzt, mit dem Ziel, die Herrschaft des römischen Statthalters zu beenden und ihn gewissermaßen zu beerben und das, obwohl der ursprüngliche Anlass der Reise ein Brief des weströmischen Feldherrn Bonifatius war.

Doch bevor es soweit kommen kann, gibt es im Roman zahlreiche Rückblicke. Wie wuchsen die Kinder des Vandalenherrschers auf? Wie lernten sich zahlreiche der Hauptpersonen des Buchs kennen? So wird nach diversen Stationen der Vergangenheit erzählt, wie es den Vandalen gelingt, die Stadt Hippo Regius beinahe ohne Gegenwehr einzunehmen. Allerdings führen politische Umwälzungen selbstredend zu Intrigen, Widerstand und Putschversuchen. In einer multikulturellen Gesellschaft, in der sich nicht nur unterschiedliche Volksstämme, sondern auch viele verschiedene Religionen tummeln, ist dies nicht zu vermeiden. Auch hier werden in gewissen Situationen bestimmte Volksgruppen als Schuldige diffamiert, wie im Fall eines Mordes die Juden.

In den letzten Jahren sind wenige „richtige“ historische Romane erschienen. Zu sehr haben die Texte über starke Frauen, die sich selbst in dunklen Zeiten nicht von der Herrschaft der Männer unterjochen ließen, überhand genommen. So glaubt man zu Beginn von „Habichte über Karthargo“ einen Roman in Händen zu halten, der sich hauptsächlich an historischen Fakten orientiert und seine Haupthandlung geschickt mit der tatsächlichen Geschichte verbindet. Leider ist dem Autor das nicht vollständig gelungen. Denn Geiserichs Sohn Arwid heiratet die Druidin Ceridwen aus dem fernen Land aus Hibernia (Irland), die über allerlei übernatürliche Fähigkeiten verfügt. Dies sorgt schon auf engstem Raum zum Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen, Konflikten bezüglich unterschiedlichen Rollenbildern und zahlreichen erotischen Situationen – denn mit der Treue nimmt es die werte Druidin nicht ganz so genau.

Die Handlung begleitet die historischen Ereignisse aus der Sicht von Arwid und dessen bestem Freund Truchthari, dem Truchsess. Die beiden erleben Kämpfe, können mit ihrer von einem griechischen Lehrer erlangten Bildung punkten und geraten zwischenzeitlich auch in Gefangenschaft. Nebenbei werden im Buch unterschiedliche Religionen thematisiert, darunter auch der Mithraskult. Allerdings hat der Roman selbst keine dezidierte Handlung mit einem Anfang oder einem Ende, die Charaktere werden eher vom Strom der Geschichte mitgerissen. Man könnte vermuten, dass der Autor diesbezüglich einen zweiten Teil geplant hat, da Geiserich in den über 30 Jahren seiner Herrschaft nicht nur die ehemalige afrikanische Provinz und Kornkammer des Römischen Reichs beherrschte, sondern auch Sardinien, Korsika, die Balearen und einen Teil von Sizilien eroberte. Im Jahr 455 plünderte er sogar Rom und entführte die Kaiserinnenwitwe nach Afrika. Insofern würde es genügend Stoff geben, um den Roman fortzusetzen, der sich trotz der erwähnten Schwächen und zahlreicher Anachronismen in Ausdruck und Bezeichnungen sehr gut liest und den Leser zu unterhalten weiß. Man darf gespannt sein, welche Resonanz das Werk erzeugt, dann könnte man sich durchaus auf eine Fortsetzung freuen.

Bernd Hartlings Roman „Habichte über Karthago“ ist zwar kein herausragender historischer Roman, weiß den Leser aber trotz seiner Schwächen und vorhandenen Anachronismen zu unterhalten. Denn was bleibt ist eine mit wenigen Fantasyelementen ausgeschmückte Rahmenhandlung in historischem Ambiente, die sich immer noch deutlich positiv von notorischen „Frau geht ihren Weg – auch in der Antike“-Handlungen abhebt.

Titelbild

Bernd Hartling: Habichte über Karthago.
Verlag Philipp von Zabern, Mainz am Rhein 2009.
500 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783805340809

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