Von Schafen und Wölfen

Henrike Wilsons und Anu Stohners „kleines Schaf Charlotte“ erlebt ein neues Abenteuer

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

 

„Charlotte und die Wölfe“ ist die Fortsetzung von Henrike Wilsons und Anu Stohners Buch „Das Schaf Charlotte“. Dort wurde in großen stimmungsvollen Bildern auf großformatigen Seiten die Geschichte des kleinen Schafs Charlotte erzählt, das selbstbewusster und mutiger ist nicht nur als andere Schafe, sondern auch als der Schäferhund. Sie kümmert sich nicht darum, dass die anderen, älteren Schafe den Kopf schütteln über das, was sie tut. Charlotte macht nicht nur, was andere sich nicht trauen, sondern auch, was ,man‘ nicht tut. Sie überwindet also nicht nur die eigene Angst, sondern auch soziale Konventionen.

Die Fortsetzung schließt an den sozialen Status an, den Charlotte im Vorgänger erreichte, indem sie den verletzten alten Schäfer rettete. Während Charlotte im ersten Band nur still tat, was sie wollte, und dadurch umso mehr beeindruckte, handelt sie im zweiten Band mit einer gewissen Raffinesse. Denn hier hat sie einen Parallelakteur, und zwar vier junge männliche Schafe, die sich zu der Bande mit dem Namen „Die Wölfe“ zusammengetan haben. Diese erschrecken und ärgern Lämmer und den wehrlosen alten Schäferhund, sind also ein halbstarkes Ärgernis.

Aber wie die anderen Schafe der Herde, so ängstigen sich auch diese Möchtegerne-Wölfe ob eines andauernden Heulens, das nach echten Wölfen klingt, und das näher zu kommen scheint. Aber Charlotte geht auch diesem Heulen ohne zu zögern auf den Grund. Es sind keine Wölfe, von denen das Heulen stammt, sondern es ist nur ein kleiner Hund, der sich verlaufen hat. Doch Charlotte nutzt das einschüchternde Heulen, um „Die Wölfe“ so sehr zu erschrecken, dass diese ihr Rowdytum aufgeben.

Wer also Eltern ärgern will, die dem Phantasma erlegen sind, in Deutschland würden Jungs systematisch benachteiligt, vernachlässigt und daran gehindert, ihre so genannte ,Männlichkeit‘ zu entwickeln, der kann dieses Buch getrost den Kindern solcher Eltern schenken. Denn hier wird mit Absicht ein selbstbewusstes weibliches role model aufgebaut, das sich erfolgreich gegen die dämlichen Zumutungen ihrer andersgeschlechtlichen Altersgenossen durchsetzt.

Titelbild

Anu Stohner / Henrike Wilson: Charlotte und die Wölfe.
Carl Hanser Verlag, München 2009.
32 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783446233171

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