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Elisabeth Bronfen führt ihr erkenntnisstiftendes Lektüreverfahren des Crossmapping vor

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bekannt wurde die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen mit ihrer literaturwissenschaftlichen Studie „Nur über ihre Leiche“. Das war Anfang der 1990er-Jahre. Inzwischen befasst sie sich nicht nur verstärkt mit cineastischen Erzeugnissen, sondern hat auch eine erkenntnisstiftende Methode „vergleichende[r] Lektüre“ entwickelt, die sie Crossmapping nennt. Es handelt sich um ein Leseverfahren, das nicht etwa intertextuellen Zusammenhängen im Sinne einer expliziten und bewussten Bezugnahme eines Textes auf Prätexte nachspürt, das also nicht nach „verbürgte[n] Einflüsse[n]“ sucht. Vielmehr geht es darum, „ähnliche Anliegen“ von Texten „unterschiedlicher Medialitäten“ herauszuarbeiten, indem sie „entlang der Achse einer von ihnen geteilten Bildsprache“ verglichen werden. So schafft das Verfahren Bronfen zufolge einen „kritischen Denkraum, der wie die Kunst selbst im kulturellen Imaginären interveniert“. Anders als das intertextuelle Verfahren entdeckt Crossmapping also nicht etwa etwas in und zwischen Texten bereits Vorhandenes, sondern verbindet „Bildformeln und Denkfiguren“ verschiedener Texte „fruchtbar“ miteinander.

Der Titel des Verfahrens stiftet zugleich den Titel eines Buches, in dem Bronfen einschlägige „Essays zur visuellen Kultur“ aus den letzten anderthalb Jahrzehnten ihres Schaffens versammelt hat. Gemeinsam ist ihnen nicht nur das Lektüreverfahren, sondern der „Anspruch, einen Denkraum zu entfalten, der ästhetische Bildformeln neben theoretische Denkfiguren setzt, um das kulturelle Nachwirken innerer Ergriffenheiten sowie die Korrespondenzen zwischen den unterschiedlichsten Formalisierungen, die diese Intensitäten erfahren haben, aufzuzeichnen“, indem sie das „Aufflackern kultureller Intensität zu verschiedenen historischen Zeiten sowie in verschiedenen Medien vergleichend betrachten“.

In der den Essays vorgeschalteten Einleitung führt die Autorin ihr Verfahren anhand von Charlotte Perkins Gilmans Erzählung „The Yellow Wallpaper“ (1890), Francesca Woodmans Fotoarbeiten aus den Jahren 1975-1978 sowie Alejandro Amenbárs das Genre erneuernden Horrorfilm „The Others“ (2001) vor und verdeutlich, dass und wie die „Duplizität jeglicher Bildformeln sowohl thematisch als auch formal unserer Fähigkeit, Bilder aufzurufen und so im kulturellen Imaginären zu intervenieren, eingeschrieben ist.“ Dass die Autorin der bekannten Untersuchung „Das verknotete Subjekt“ in der „Bildsprache der Psychoanalyse“ das die drei Werke verbindende Element ausmacht, überrascht nicht.

Bereits nach der Einleitung ist man von der erkenntnisstiftenden Kraft des Verfahrens überzeugt und kann während der Lektüre der Essays dessen Anwendung auf denkbar unterschiedliche Werke aus Kunst-, Literatur- und Filmgeschichte regelrecht genießen.

Titelbild

Elisabeth Bronfen: Crossmappings. Essays zur visuellen Kultur.
Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2009.
532 Seiten, 35,00 EUR.
ISBN-13: 9783858812407

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