Vom Sprachmüll im Fernsehen und Schlagworten

Max Goldts „Ein Buch namens Zimbo“ mit satirischen Texten

Von Gunter IrmlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Gunter Irmler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie kommen Autoren in den Genuss eines angesehenen Literaturpreises? Max Goldt weiß darüber trefflich Auskunft zu geben; er wurde schon mit mehreren Preisen ausgezeichnet: Am kalten Ostermontag des Jahres 2008 sitzen die Autoren Daniel Kehlmann und Max Goldt, gebeugt über eine dampfende Schüssel mit brennend scharfem Mapo-Tofu, in einem asiatischen Restaurant in Berlin. Kehlmann fragt Goldt, ob der etwas dagegen habe, den Kleist-Preis zu kriegen. „Passt schon“, antwortete Goldt lakonisch.

Eine ironische Anekdote: Goldt berichtete sie bei seiner Rede anlässlich der Verleihung des Kleist-Preises vor über einem Jahr. Sie ist zusammen mit Texten des Autors, die zuerst als Kolumnen im Satiremagazin „Titanic“ erschienen, im neu publizierten Band „Ein Buch namens Zimbo“ zu lesen. Goldt arbeitete als Songschreiber und Comictexter. Der 51-Jährige lebt als Musiker und Schriftsteller in Berlin. Es sind nicht nur solche Mysterien um eine ehrwürdige Preisverleihung, die der Schriftsteller humorvoll enthüllt. Vor allem seine Idiosynkrasie gegenüber sprachlichen Verwerfungen und oberflächlichem Denken reizt ihn zur Lust an satirischer Übertreibung und spöttischer Demaskierung. Doch gegen die Etikettierung als Satiriker wendet er sich, weil er weiß: „Damit sind Texte zwar unterhaltsam, aber bedeutungslos“.

Goldts Widerspruch lösen zuerst Schlagworte, Werbesprüche und beliebte Leerformeln aus. Wie das „kreative Chaos“ oder die „emotionale Intelligenz“. Letztere „gibt’s nicht, gab’s nicht, wird’s nie geben – geht gar nicht!“, sagt der Autor. „Inzwischen hat die Szene, die mit der Ausbeutung der emotionalen Intelligenz Geld verdient, gar unseren lieben guten alten Darm zum ‚Bauchgehirn‘ erklärt.“ Die Beliebtheit so salopp klingender paradoxer Wendungen sieht er als „Lieblingsinstrument eilfertiger rhetorischer Verblüffer“. Gerade gegen die Denkfaulheit, die hinter dem Paradoxen steckt, fühlt er in sich eine tiefe Abneigung. Bei Gedanken von Thomas Manns Settembrini im „Zauberberg“ sieht er sich bestätigt.

Den Sprachmüll im Fernsehen geißelt Goldt am liebsten. Zum Beispiel die Sätze einer Neunzehnjährigen in einer „Hart, aber Fair“-Sendung zum Thema „Schlankheitswahn“. Sie berichtete dort mit schriller Stimme und in unvollständigen Sätzen über ihre Erfahrungen in einem Fernseh-Topmodel-Wettbewerb. Der Sprachkritiker empfiehlt ihr nicht nur logopädische Therapie: „Liebes Kind, was Sie brauchen ist keine Brustoperation, sondern zunächst einmal Sprach- und Sprecherziehung“, schreibt Goldt. „Warum schont man sie? Bestehen diese Frauen nur aus Körpern? Man meint, Sprache und Stimme seien bei ihren Berufsperspektiven sowieso unwichtig?“ Wenn wir auf die Bewertung der Sprache und Logik verzichten, wie in diesem Beispiel, verachten wir die jungen Frauen, so der Autor.

Goldt schöpft seine essayistisch-erzählerische Kraft auch aus der Betrachtung von Nichtigkeiten. Wie der beklagenswerten Dunkelheit in Hotelzimmern. Oder den befremdlichen Gewohnheiten der Menschen im Umgang mit ihnen lieb gewordenen Tieren. Eine hartnäckige Empfindlichkeit gegen weit verbreitete Irrtümer, vor allem die, die Gesundheitszeitschriften ausstreuen, ist sein Elixier: Sie treibt ihn zur Fabulierlust – bis hin zum absurden Witz oder Nonsens. Goldts Gedanken springen da scheinbar ziellos und assoziativ hin und her. Wenn er am Ende die Volte schlägt, ergießen wir uns in Heiterkeit: Der Kreis schließt sich harmonisch.

Neben prägnant gearbeiteten Textgeweben verfällt der Autor allerdings selbst sprachlichen Stereotypen. Wenn er seiner lauthals verkündeten Maxime, „bewusst mit der Sprache umzugehen“, zuwiderhandelt, lässt uns das erstaunen. Zum Beispiel, wenn er eine „nicht unschrottige Information“ von Bekannten bekommen hat. Oder wenn er über einen Film mit dem Titel „Die wilden Hühner“ überaus gekünstelt und tautologisch plaudert: Der sei für „junge Mädchen“ empfehlenswert, nicht für „erwachsene Herren“. Hierbei vernehmen wir nur allzu leise den selbstironischen Humor des Autors.

Es sind jedoch viele Tonlagen, die Goldt beherrscht – von der hohen Sprache, über die Umgangssprache bis hin zum Vulgärjargon. Mal sprachlich galant, von taktvoller Rücksichtnahme geprägt, mal wieder boshaft: „Was mir Halt gibt?“, heißt es in der Rede des erbleichenden Dreisten im Buch. „Fragen Sie mich allen Ernstes, was mir Halt gibt? Halt gibt mir nichts als meine gottbefohlene Dreistigkeit!“

Titelbild

Max Goldt: Ein Buch namens Zimbo. Sie werden kaum ertragen, was Ihnen mitgeteilt wird.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2009.
198 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-13: 9783871346651

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch