Entfaltung für Kunst und Geist

Caius Dobrescu und Gerhard Csejka loten die Form der Ode aus

Von Anke PfeiferRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anke Pfeifer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit „Ode an die freie Unternehmung“ ist der Lyrikband des rumänischen Dichters Caius Dobrescu betitelt – und überraschenderweise heißen auch alle 34 Gedichte genau so. Kriterien einer – ökonomischen – Unternehmung sind laut Wirtschaftsratgeber unter anderem Autonomie und Alleinbestimmung, wozu heutzutage die besondere Rolle von Informationsbeschaffung und „Humankapital“-Einsatz, von Modularisierung, Symbiosen und Grenzüberschreitungen hinzukommen. Auch das Verfassen von Lyrik ist eine Unternehmung, und die genannten Kriterien finden sich in den Versen Dobrescus wieder, wobei zwar das erwerbswirtschaftliche Prinzip eher zu vernachlässigen, ein Gewinn im Ideellen jedoch allemal gegeben ist.

Frei von Zwängen und Verpflichtungen, allein dem Geist und der Kunst dienend, berührt der Dichter den Zeitgeist. Er thematisiert Daseins- und Organisationsformen in Gesellschaft und Natur, verschränkt dabei Naturgesetze aus Physik und Biologie mit Menschheitsevolution und sozialer Gegenwart: „Die Wanderschatten der Blätter […] so als ob sie / andauernd Informationen sendeten. Als ob der Rumor / der Börse sich plötzlich zum einschläfernden / Oleanderwäldchen wandelte.“

Ebenso wendet er sich Ewigkeitsthemen zu, lotet Zeit- und Raumgrenzen aus, stößt vor zu einer immer kleineren Segmentierung von Wirklichkeit und Denken und lässt doch ebenso den profanen Alltag nicht außen vor.

Zwischen dem Angebot in der ersten Ode, eine Theorie des Hindernisse überwindenden Vorwärtskommens darzulegen („Unter diesen Umständen gibt’s ein Vorankommen / nur insofern / als ihr mir gestattet, / euch meine Theorie darzulegen, / wie es unter solchen Umständen / ein Vorankommen geben kann“), und der in der letzten Ode geäußerten Überzeugung, dass unsere Welt ihren Ursprung in verschiedenen Quellen hat, breitet Dobrescu seinen dichterischen Kosmos vor dem Leser aus. Dabei wendet er sich an jene, die nur knapp einer lebensbedrohlichen Katastrophe entronnen sind („Für alle, die über dem lohenden Kessel eines Schmelzofens hängen“), und an alle, die nicht wissen, was die Zukunft als nächstes bereithält. Trotz des stets gleichen Titels trägt jedes Gedicht ein unverwechselbares Gesicht. Formal reichen seine Oden vom umfangreichen Strophenwerk über beinahe drei Seiten bis hin zum Zweizeiler „Und was seinem Hintern dann entwich / war statt des Furzes ein leiser Strahl von Licht.“

Nicht Pathos und Bewunderung wie in der traditionellen Ode gilt es für Dobrescu auszudrücken, sondern: „Die wahre Ode weiß in der Ursprungsphase nicht, worüber sie handelt“; „Sie ist geboren, die Ungewissheit von innen heraus zu lobpreisen.“ „Ode ist somit nicht das, / was Schiller geschrieben hat, / sondern was Lichtenberg gegebenenfalls geschrieben hätte.“ Nicht von Überschwang, sondern von Zweifel und Unruhe zeugt seine Lyrik, in der sich wissenschaftlich anmutende Gedankenspiele, Schwebezustände, ein hinterfragender, kritischer Blick, Katastrophenschilderung, aber auch das Aufleuchten von Schönheit und Natürlichkeit finden lassen.

Dobrescu und dem Nachdichter seiner Gedichte ins Deutsche, Gerhard Csejka, wurde für den Band „Ode an die freie Unternehmung“, der 2006 als bibliophiler RanitzDruck Nr. 13 der Edition Thanhäuser erschien, der Preis der Stadt Münster für Europäische Poesie 2009 verliehen. Bei der vorliegenden Ausgabe handelt es sich um den Nachdruck dieser ersten deutschsprachigen Buchpublikation des Dichters, der 1966 in Siebenbürgen geboren wurde, als Hochschuldozent in Brasov/Kronstadt und Bukarest Literaturgeschichte und -theorie lehrt und in den vergangenen dreißig Jahren zahlreiche Lyrik-, Prosa- und Essaybände veröffentlichte.

Gerhard Csejka, 1945 im rumänischen Banat geboren und seit über zwei Jahrzehnten in Deutschland lebend, hat sich schon längst einen Namen als ausgewiesener Übersetzer aus dem Rumänischen gemacht, unter anderem mit der Übertragung von Werken Mircea Eliades und Mircea Cartarescus (Die Wissenden). Und auch hier ist Csejka wieder mit Wortgewalt und feinem Spürsinn am Werk.

In der Begründung der Jury heißt es, dass Dobrescu als einer „der originellsten, ästhetisch und intellektuell wagemutigsten Autoren nicht nur der jüngeren rumänischen Literatur“ Dichtung geschaffen hat, in der „Bild, Klang und Gedanke sich gegenseitig den Boden unter den Füßen wegziehen“ und die statt mit Bildern mit Tönen schockiert, wobei Csejka es ermöglicht, „diese Musik, die ebensoviel zu denken wie zu genießen gibt, auch auf Deutsch zu hören“.

Nach Gellu Naum (sowie seinem Nachdichter Oskar Pastior) und Daniel Banulescu (nebst Nachdichter Ernest Wichner) wurde in diesem Rahmen übrigens nun schon der dritte rumänische Dichter geehrt, dem für seine nachdenkliche, verstörende, sinnliche, komische oder einfach schöne Poesie zahlreiche Leser zu wünschen sind.

Titelbild

Caius Dobrescu: Ode an die freie Unternehmung. Gedichte.
Übersetzt aus dem Romänischen von Gerhardt Csejka.
Daedalus Verlag, Münster 2009.
48 Seiten, 9,00 EUR.
ISBN-13: 9783891263112

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