Wiedergänger

Kerstin Rech verirrt sich im Geschichtenreich

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dass es auf dem Land gar furchtbar zugehen kann, wird jeder Städter bestätigen. Zu dunkel ist’s da draußen, zu merkwürdig die Menschen, zu ungewöhnlich die Sitten. Ernst Bloch hätte vielleicht bemerkt, dass die Landleute näher an den rohen Gebräuchen einer vorzivilisatorischen Epoche sind als die Stadtleute – oder sich zumindest näher wähnen. Aber Bloch ist hier nicht gefragt, im Krimi zählt nur die Plausibilität der Untat, und mit anachronistischen Vermutungen und Unterstellungen kommt man nicht weit.

Kerstin Rechs „Schenselo“ spielt mit den Unwägbarkeiten des Landes, mit den rohen Kräften, die dort noch wirken mögen, und deren Gewalttätigkeit. Dabei mischt Rech ihre Zutaten zu einer kräftigen Mixtur: die Gewaltherrschaft eines Vaters, ein feiger, unterwürfiger Sohn, eine aufmüpfige Tochter, eine Mutter, die dem Wahnsinn verfallen und bereits tot ist, ein Polizist, der sich bei seiner Ermittlung verliebt und der zugleich seit Jahren hinter den Mördern seines besten Freundes her ist (der ihm ein geliebtes Flittchen ausgespannt hat), sowie diverse sexuelle Aberrationen und ein bisschen Mittelalterspuk.

Während der Sanierung einer Grünanlage findet der Gartenbauer, der diesen merkwürdigen Auftrag erhalten hat (merkwürdig, weil überflüssig, vor allem bei der Finanzknappheit der Auftrag gebenden Stadt), eine Kassette, in der das Dokument einer umfassenden Schenkung aus dem frühen 14. Jahrhundert aufbewahrt worden ist. Das Dokument ist ein Juwel, immerhin 700 Jahre alt.

Hinter ihm scheinen eine Menge Leute her zu sein, wobei es um den Wert des Schriftstücks selber kaum gehen kann, denn für die paar Kröten lohnt sich kein Einbruch. Und mehr schon gar nicht. Merkwürdig ist aber, dass kein Grab- oder Dokumentenräuber sein Unwesen treibt, sondern der Wiedergänger des Gebers aus dem frühen 14. Jahrhundert namens Schenselo. Und dies ganz nachdrücklich, denn dieser Schenselo mordet ein bisschen in der Gegend herum, anscheinend vor allem unter denjenigen, die an dem Raub des wertvollen Dokuments aus einem privaten Heimatmuseum, in das es gebracht wurde, beteiligt waren. Anscheinend ist hier der Krieg zwischen einem historischen Wiedergänger und einer Gruppe von Grabräubern zugange. Und die Polizei schaut zu.

Dabei lässt Rech, was Symbolik angeht, nichts aus, was im Serienkiller- und Mystery-Genre der letzten Jahre durchgenudelt worden ist. Blutrünstige Morde, Leichen, die präsentiert werden, Nachrichten wahlweise an die Nachwelt oder die Polizei. Freilich, schon hier gibts Stilbrüche. Denn wo das Blut nicht reicht, wird rote Farbe genommen, um die Wände vollzupinseln. Na, ein Serienkiller, der was auf sich hält, macht sowas aber nicht.

Natürlich schaut die Polizei nicht nur zu, aber sie wird heftig irregeleitet von dem Mittelalterspuk. Ein Irrweg, denn alles dreht sich am Ende doch nur um Geld und Macht, und der Mörder ist vielleicht nur ein bisschen irre. Er trägt eine Kapuze und ein Habit, er ist offensichtlich immer ganz gut informiert, aber er scheint nicht darüber nachzudenken, dass das am Ende die Polizei zu ihm führen muss. Denn woher hat er alle diese Informationen? Fragen, die der Text am Ende beantworten will.

Erkennbar wird also, dass der Text viel will. Ersichtlich ist allerdings auch, dass es seiner Autorin nicht gelungen ist, ihm eine angemessene Form zu geben. Holprige Dialoge, hochtönender Unsinn, mangelnde Motivationen und schlechte Anschlüsse. Der Text steckt voller marginaler und deutlich erkennbarer Macken, dass man ihm ein bisschen mehr stilistische Überarbeitung gegönnt hätte, wobei es damit wahrscheinlich nicht getan wäre. Der Erzählfaden ist nachlässig gesponnen, Handlung, Geschichte und Plot sind unmotiviert bis überladen. Plot und Handlung sind maßlos, die Figuren werden nicht angemessen eingeführt, die Geschichte wird nicht entwickelt, ist aber auch nicht so rasant, dass Entwicklung niemanden mehr interessieren würde. Die Motivationen der Figuren werden nur angerissen, so dass am Ende eine lediglich leidlich plausible Handlung entsteht.

Rech ist offensichtlich bemüht, mit einem Schlag von der Mär des mageren deutschen Krimis abzusehen und sich ein bisschen in der internationale Krimi-Welt zu bedienen. Deshalb verweist eine Vielfalt der Handlungsstränge auf Themen und Motive, die dort schon seit Jahren zu finden sind. Aber am Ende bleiben diese Mühen ohne Erfolg.

Insgesamt macht „Schenselo“ einen sehr unfertigen Eindruck, und es macht keine Freude, den Text zu lesen, zu sehr ist der Leser damit beschäftigt, die handwerklichen Fehler zu übersehen (es sei denn, einem ist sowas beim Lesen sowieso egal). Ein negatives Testat also für Rechs Roman? Das ist keine offene Frage.

Titelbild

Kerstin Rech: Schenselo. Thriller.
Conte-Verlag, Saarbrücken 2007.
186 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783936950601

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