Betrunken mit Arni

Mark Rowlands über Sience-Fiction-Filme und den „Leinwandphilosophen“ Arnold Schwarzenegger

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Science Fiction-Fans umgeben sich gerne mit dem Nimbus, anders als der Rest der Menschheit eine besondere philosophische Ader zu besitzen, evoziert durch den berühmten sense of wonder, den SF nicht nur zu verheißen pflegt, sondern öfter auch tatsächlich hervorzurufen vermag. So erscheinen denn auch immer mal wieder Fach- und Sachbücher, die sich mit philosophischen Inhalten und Aussagen von Werken des Genres befassen.

Zu den letzteren, den Sachbüchern zählt das Buch „Der Leinwandphilosoph“ des amerikanischen Philosophieprofessors Mark Rowlands, in dem er anhand von Science-Fiction-Filmen „[g]roße Theorien von Aristoteles bis Schwarzenegger“ vorzustellen verspricht. Freimütig räumt der Autor gleich zu Beginn ein, dass er „streng genommen kein wirklich seriöses Buch“ vorgelegt hat. Doch scheint er das durchaus nicht als Makel zu empfinden, sondern vielmehr als besondere Empfehlung zu verstehen. Die kann es allerdings nur bei jenem Teil des Publikums sein, das in Sachen Philosophie auf ernsthafte Lektüre wenig Wert legt. Und genau solche Leute umschmeichelt der Autor immer wieder. Etwa in dem er auf den ersten Seiten gleich mehrfach empfiehlt, die Filme doch am besten alkoholisiert anzuschauen. Das fördere deren philosophisches Verständnis. Denn „Bier und Erdnüsse in Reichweite“ zu haben, sei „sowieso die beste Lernumgebung“. Außerdem, so erklärt er weiter, seien jene Streifen am besten, die von KritikerInnen verrissen würden. „Denn in Wirklichkeit verhandeln viele der sogenannten schlechten oder anspruchslosen Filme komplexe philosophische Themen, die die vermeintlich anspruchsvollen Arthouse-Filme ganz schön alt aussehen lassen.“ Daher ziehe er es vor, sich mit ersteren zu befassen und nicht etwa mit „Arthouse-Filme oder Sachen mit Untertiteln“. Natürlich, so beteuert er, sei er durchaus imstande auch über „solchen Kram“ zu schreiben, nur würde ihn das „zu Tode langweilen“.

Entsprechend versichert der Autor weiter, die im vorliegenden Buch vorgestellten Filme würden „die meisten Filmkritiker als schlecht bezeichnen“, womit sich sein Publikum nicht nur als Gemeinde von SF-Fans dem gemeinen Menschen, sondern auch den Film-KritikerInnen überlegen fühlen darf. Tatsächlich aber werden fast alle behandelten Filme nicht nur von der Kritik geschätzt, sondern waren schon öfter Thema philosophischer und etwa im Falle von „Matrix“ und „Star Wars“ auch theologischer Erörterungen. Doch vermeidet der Autor es tunlichst, hierauf aufmerksam zu machen. Andernfalls könnte er wohl auch kaum prahlen, sein Buch sei „das erste – oder doch eines der ersten“, dass sich „anhand der Science-Fiction“ „mit philosophischen Themen, Streitpunkten und Fragestellungen“ befasst, womit er ein „neue[s] Genre“ geschaffen habe, „das man als Sci-Phi bezeichnen könnte“. Dass er sich nun mit SF-Filmen und nicht mit der Literatur des Genres befasst, begründet er damit, dass dies „mit Abstand der beste Weg“ sei, „etwas über Philosophie zu lernen“.

Rowlands gliedert sein Buch entlang der behandelten Filme, anhand derer er gerne „Problem[e]“ illustriert. „Total Recall“ und „The 6th Day“ verbindet er etwa mit dem „Problem der personalen Identität“, „Minority Report“ mit dem „Problem des freien Willens“. „Matrix“ lässt ihn, wie nicht wenige andere zuvor schon, fragen, ob „wir uns überhaupt über irgendetwas sicher sein“ können, und „Hollow Man“, warum man moralisch sein soll. Eröffnet und beschlossen wird der Band mit je einem Kapitel zum „Sinn des Lebens“, die sich mit „Blade Runner“ und einer „Frankenstein“-Verfilmung befassen, wobei der Autor dem verbreiteten Irrtum unterliegt, Mary Shelley habe mit der literarische Vorlage zu letzterem den ersten Science-Fiction-Roman verfasst. Tatsächlich veröffentlichte Julius von Voß jedoch bereits Anfang des 19. Jahrhunderts einen Roman mit dem Titel „Ini“, der allen Kriterien des Genres genügt.

Auch mit manch anderer Feststellung liegt der Autor nicht richtig. So erkennt er den Terminator des gleichnamigen Films zu Beginn des diesem gewidmeten Kapitels zwar noch zutreffend als „eine Art Roboter“, um ihn im weiteren jedoch ebenso beharrlich wie falsch als „Cyborg“ zu bezeichnen und zudem zu behaupten, Cyborgs bestünden „nur aus Stahl und Schaltkreisen“. Wie ihr Name schon sagt, bestehen sie tatsächlich jedoch aus kybernetischen und organischen Anteilen. Aus Stahl und Schaltkreisen bestehen hingegen Roboter, die, wenn sie wie der Terminator menschliches Aussehen haben, Androiden sind, aber eben keine Cyborgs.

Vermutlich eher provokativ als ernst gemeint, mag den Lesenden Rowlands Hymnus auf den „große[n] österreichische[n] Philosoph[en] Arnold Schwarzenegger mit seinem epochalen Beitrag zur Philosophie“ erscheinen. Zwar habe das Alpenland im letzten Jahrhundert „überdurchschnittlich viele große Philosophen hervorgebracht“ – er nennt Karl Popper, Sigmund Freud, Karl Kraus, Friedrich Waismann und den unsäglichen bereits 1903 durch Suizid aus dem Leben geschiedenen Frauenhasser Otto Weininger –, doch die „österreichische Eiche“ Arnold Schwarzenegger sei „der hellste Stern am österreicherischen Firmament, der Gigant unter Hollywoods Philosophen“. Obgleich Rowlands die Seriosität seines eigenen Werkes in Abrede stellt, so möchte er doch nicht, dass jemand dem trügerischen Schein erliegt, der Autor spaße hiermit. „Das soll kein Witz sein“, versichert er nachdrücklich.

Kann Rowlands das philosophische Vermögen des body gebildeten Schauspielers „Arni“ gar nicht genug loben, so fühlt er sich offenbar getrieben, über möglichst jeden tatsächlichen Philosophen irgendetwas Negatives zum Besten zu geben. Albert Camus? Ein „[a]rmer Tropf“. René Descartes? Ein „[f]auler Hund“. Martin Heidegger? Ein „Fiesling“. Heraklit? „Verrückt“, aber immerhin nur „auf ziemlich harmlose Weise“. Nietzsche? Ein „Waschlappen, der vermutlich in der Schule verprügelt wurde“. Sartre? „Vermutlich der hässlichste Philosoph aller Zeiten“. Wittgenstein? „Kein angenehmer Mensch.“ Nur bei Kant scheint ihm nicht die rechte Verbalinjurie eingefallen zu sein, denn dessen „Leben war ziemlich langweilig, deshalb ist es schwierig, ihn herunterzumachen.“ So verweist Rowlands wenigsten darauf, dass der Alleszermalmer eine „große Nase“ gehabt habe. Sein markanter körperlicher Makel war also eine große Nase. Aber warum verweist der Autor eigentlich nicht auf Kants noch viel größeren Buckel? Scheut er etwa den Vorwurf der Behindertenfeindlichkeit? Wie dem auch sei. Dafür, dass ihm zu Kant keine richtige Gemeinheit eingefallen ist oder er sich nicht traute, sie niederzuschreiben, rächt er sich an dem Transzendentalphilosophen jedenfalls, indem er dessen praktischen Imperativ „[h]andle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst“ auf die Empfehlung herunterbricht, „dass man immer nett und rücksichtsvoll zu allen sein soll.“ Doch dies ist nur eine der nicht eben wenigen Verballhornungen diverser Philosopheme, die Rowlands den Lesenden zumutet.

Ansonsten hält er sein Publikum gerne mit Super- ja Hyperlativen in Atem. So etwa, wenn er auf den Film „Blade Runner“ zu sprechen kommt, „den viele für den besten Science-Fiction-Film aller Zeiten halten“. Warum begnügt Rowlands sich nicht damit, schlicht und sachlich festzustellen, „Blade Runner“ werde als bester SF-Film angesehen? Will er mit der abgedroschenen, überflüssigen und meist unsinnigen Floskel „aller Zeiten“ etwa betonen, dass nicht nur seit Erfindung des Cinematografen im 19. Jahrhundert keine besseren SF-Film gedreht wurden, sondern auch im Mittelalter und in der Antike nicht? Das wäre schon Nonsens genug. Doch die Formulierung „aller Zeiten“ besagt im Grunde noch mehr, nämlich, dass es allen künftigen Generationen Filmschaffender ebenfalls nicht gelingen wird „Blade Runner“ zu übertreffen.

Kurz und gut, richtig oder doch zumindest sinnvoll wäre die Behauptung, es handele sich um den bislang besten SF-Film. Doch der hier augenfällige wurstige Umgang mit der Sprache und ihren Wörtern ist typisch für das vorliegende Buch. Für die Philosophie aber ist er tödlich. Da hilft es auch nichts, wenn sich sein Autor im Falle des „besten Science-Fiction-Film[s] aller Zeiten“ hinter der anonymisierten und anonymisierenden Masse der „Vielen“ versteckt.

Titelbild

Mark Rowlands: Der Leinwandphilosoph. Große Theorien von Aristoteles bis Schwarzenegger.
Rogner & Bernhard Verlag, Berlin 2009.
308 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783807710518

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