Wumms – und weg!

Mohammed Hanif legt eine Farce auf die pakistanische Geschichte vor

Von Beat MazenauerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Beat Mazenauer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gegen die Lächerlichkeit hilft keine Macht. Diktatoren mögen alles und jedes kontrollieren, wenn aber herauskommt, dass sich Bandwürmer durch ihre Därme fressen, bleibt ihnen nur noch Spott übrig. Diese Strategie verfolgt Mohammed Hanifs furioser Roman „Eine Kiste explodierender Mangos“, der in Pakistan keinen Verleger, dafür aber viele Leser gefunden hat.

Hanif widmet sich dem Regime unter General Zia ul-Haq, einem von Bandwürmern geplagten und von der eigenen Frau verlachten, devoten Schwächling, dessen Lakaien allerdings ganze Arbeit leisteten bei der Unterdrückung der Opposition. Pakistan droht seit Jahren im Sumpf von politischer Unfähigkeit und islamischem Fundamentalismus zu versinken. Die Ursprünge dieses gefährlichen Gemisches liegen bei Zia ul-Haq, der von 1977 bis 1988 regierte und den Islam als politische und gesetzgeberische Richtschnur einführte, bevor er mitsamt seiner „Lametta-Riege“ bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Die Gründe dafür sind bis heute nicht restlos geklärt. Aus dieser Unklarheit macht sich Mohammed Hanif seinen sarkastischen Spaß.

Einer der Urheber des Absturzes könnte der Erzähler und Offiziersanwärter Ali Shigri sein, Sohn eines verdienten Colonels im Kampf gegen die Russen in Afghanistan. Colonel Shigri starb unter ungeklärten Umständen, was seinen Sohn zur Rache am mutmaßlichen Urheber anstiftet. „Ich war der Einzige, der an Bord der Maschine ging und überlebte“, führt er sich gleich zu Romanbeginn ein. Ob er deshalb aber auch der Urheber des Absturzes war?

Bevor die politischen Umstände die schlimmstmögliche Wendung nehmen, durchläuft Ali Shigris Lebensroman einige Turbulenzen. Als sein Freund Obaid unvermittelt aus der Kaserne verschwindet, wird Ali eingekerkert und peinlich verhört. Allerdings ist er längst nicht der einzige Feind, den Zia ul-Haq zu fürchten hat. Dessen eigene Kamarilla – allen voran der Geheimdienstchef General Akhtar sowie der von ihm befehligte Geheimdienst ISI – versucht sich für die Zeit nach Zia in Stellung zu bringen. Davon weiß General Zia nichts, doch seine tägliche Koran-Lektüre weissagt ihm eine nicht näher bestimmte Gefahr. Deshalb sagt er alle Veranstaltungen ab und bunkert sich in seinem Army House ein. Der zaghafte Versuch, sich anonym und mit einem Fahrrad unters Volk zu mischen – auch dazu hat ihm der Koran geraten –, endet in einer peinlichen Posse.

Mit bösem Witz und spitzer Feder entfaltet Mohammed Hanif ein pakistanisches Panorama, dessen steter Zerfall vom herrschenden Regime selbst nicht wahrgenommen wird. Der Sieg in Afghanistan täuscht die Generäle vielmehr über eine falsche Macht hinweg, die spätestens da Tribut fordert, als Zia in der Absturzmaschine eine landesübliche Mango-Party feiern will, der sich keiner der Generäle entziehen kann, ohne Verdacht auf sich zu lenken. Einzig General Beg mit seiner lächerlichen Ray Ban-Brille schließt sich dieser Party nicht an, sondern fliegt im eigenen Jet zurück und nimmt Ali Shigri mit.

Mohammed Hanif weist am Ende des Buches darauf hin, dass Namen und Handlung frei erfunden seien, mit Ausnahme einiger historischer Personen. Der Reiz seiner wilden Satire liegt aber gerade darin, dass tatsächliche Ereignisse mit einer Lächerlichkeit kenntlich gemacht werden, die deren Tragikomik erst recht demonstrieren. „Eine Kiste explodierender Mangos“ ist eine ironisch beißende Satire, die nicht nur zum Lachen ist. Die aktuelle Verfassung Pakistans entspricht ihr doch allzusehr.

Titelbild

Mohammed Hanif: Eine Kiste explodierender Mangos. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Ursula Gräfe.
A1 Verlag, München 2009.
384 Seiten, 22,80 EUR.
ISBN-13: 9783940666062

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