Zukunftsweisende Ruine

Daniel Kothenschulte hat sich Fritz Langs restaurierten Science-Fiction-Klassiker „Metropolis“ angeschaut

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Pünktlich zur dritten Berliner Uraufführung von Fitz Langs monumentalem Film-Epos „Metropolis“ während der Berlinale 2010 erschien Daniel Kothenschultes Essay über die „Zukunftsruine“. So nennt der Titel des Büchleins, das eigentlich kaum mehr als ein Heftchen ist, den „restaurierte[n] Klassiker“, der nach dem argentinischen Fund nun nahezu wieder in voller Länge vorliegt.

Wie intensiv sich der Autor mit der wechselvollen Geschichte dieses „späte[n] Stummfilm[s], der sich als Vorbote moderner Science-Fiction-Blockbuster erweisen sollte“, seinen verschiedenen Fassungen und zuletzt dem überraschenden Auffinden von Filmrollen in Argentinien, befasst hat, wird fast auf jeder Seite deutlich. Kein Wunder also, dass Klothenschultes kleiner Text mit manch originellem Hinweis anregt. Etwa, indem er darauf aufmerksam macht, dass der Film, dessen Schlusssequenz das Herz als Vermittler zwischen Hirn und Hand preist, seinerseits selbst nicht „zwischen Hirn und sentimentalem Herz“ zu vermitteln versteht. Interessant ist auch die Beobachtung, dass es „gerade die altmodischen Dinge an ‚Metropolis‘“ sind, die den im Uraufführungsjahr 1927 als „anachronistisch empfundenen“ Streifen „aus heutiger Sicht prophetisch erscheinen“ lassen.

Gelegentlich zeigt sich der für die „Frankfurter Rundschau“ tätige Journalist allerdings allzu sehr der Tagesaktualität verhaftet. So etwa, wenn er eine „direkte Linie“ von Langs „Metropolis“ zu James Camaros „Avatar“ beschwört. Sie verlaufe „von der Roboterfrau Maria zu dem synthetischen Körper“, den der Protagonist des neuen 3-D-Streifens benutzt. Gerade so, als müsse unbedingt eine unmittelbare Verbindung zwischen Langs zweifellos ebenso einflussreichem wie wirkungsmächtigem „Markstein innovativer Filmtechniken“ und dem allerneusten Schrei technisch-cinematischer Innovation aufgewiesen werden. Auch die Engführung beider Figuren ist so überzeugend nicht.

Unschön ist zudem, dass Kothenschulte wiederholt eine der hohlsten (nicht nur journalistischen) Formeln aller Zeiten leer laufen lässt, nämlich eben diesen Topos. Mal charakterisiert er einen Film als den finanziell erfolgreichsten „aller Zeiten“, dann einen anderen als den beste Science-Fiction-Film „aller Zeiten“. Grässlich, würde Marcel Reich-Ranicki ausrufen.

Entscheidend aber ist nicht ein solches, doch marginales Ärgernis, sondern dass Kothenschultes Essay das Verständnis für Langs Film sowie seine Rezeptions- und Wirkungsgeschichte erweitert.

Titelbild

Daniel Klotenschulte: Die Zukunftsruine. Metropolis 2010. Rekonstruktion eines Films, Konstruktion einer Filmgeschichte.
Strzelecki Books, Köln 2010.
64 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-13: 9783981342635

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