Blutiger Showdown

Roger Smith mit einem beeindruckend stringenten Krimi-Konzept über ein Südafrika, das die Bronx als Gewaltraum ablöst

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dass das Südafrika-Imago die New Yorker Bronx als kriminales Gewalttrauma abzulösen beginnt, ist offensichtlich. Die Zahl der neueren Krimis aus dem fernen Land auf der Südhalbkugel mit Apartheid-Vergangenheit und mystischer Sonderausstattung, die sich lesen lassen, ist rasant gestiegen. Und erkennbar ist, dass die Gewaltszenerie vermischt mit Rassen- und Armutproblematiken in diesen Texten eine enorme Präsenz hat. Mit seinem Debut „Kap der Finsternis“, 2009 bei Klett-Cotta erschienen (siehe literaturkritik.de 6/2009), hat Roger Smith vorgelegt, mit „Blutiges Erwachen“ kommt nun ein weiterer, keineswegs schwächerer Krimi nach, der vor allem eins ist: sehr lesenswert.

Das hat freilich nicht nur damit zu tun, dass Smith einen ungemein blutigen und konsequent amoralischen Showdown gestaltet hat. Hinzu kommt die enorme schriftstellerische Disziplin, die er an den Tag legt. Mit Jürgen Bürger (Jerome Charyn!) und Peter Torberg (Paul Auster und David Peace!) hat Smith zudem nicht nur renommierte, sondern auch noch einschlägige Übersetzer bekommen, was zu einem im Krimigenre selten gediegenen und konzentrierten Text geführt hat. Dass Smiths Text diese Güte hat, ist also ihm ebenso zugute zu halten wie seinen Übersetzern – was im schnelllebigen Krimi besonders hervorzuheben ist. Seht her, es lohnt sich, auch in die Übersetzung zu investieren. Text ist nicht gleich Text und „Hauptsache Übersetzung“ ist nicht ausreichend. Wenn es die Vorlage verdient, dann ist hier kein Aufwand verschleudert.

Und diese Vorlage hat es verdient.

Smith siedelt seinen Text ein weiteres Mal in jenem zivilisatorischen Zwischenreich an, das den Übergang von einer vormodernen zur modernen Gesellschaft anzeigt. Gewalt ist hier noch Ausdrucksmittel und Auszeichnung. Sie ist selbstverständlicher Teil einer Gesellschaft, die mit ihrer Hilfe zu sich selbst finden muss.

Hier treten mythische Gestalten und vormoderne Helden auf. Kampagnenfürsten, die darauf aus sind, ihre Macht zu konsolidieren und ein ruhiges Alter zu verleben, die ihre Macht an ihre Nachfahren weitergeben wollen und die das Dilemma aushalten müssen, mit Gewalt an die Macht gekommen zu sein, diese Gewalt in Zukunft aber in ihren Beziehungen ausschließen zu müssen, sich dennoch immer wieder aufs Neue persönlich beweisen und dabei ihre Macht institutionalisieren müssen. An diesem Dilemma scheitern sie, ein weiteres Mal, und das, weil sie den Konsolidierungskurs nicht konsequent umsetzen.

Das aber können sie nicht wirklich, denn in der Drogenszene, die sie kontrollieren und die sie groß gemacht hat, funktionieren nur direkte Aktionen mit hoher symbolischer Aufladung. Macht muss präsentiert werden, etwa durch Luxuskarossen, Leibwächter, große Kanonen und bassgeladene Hiphop-Klassiker, mit denen die Mitwelt beschallt wird.

Sie können das auch deshalb nicht, weil sie Gespenster und Wiedergänger gezeugt haben, mythische Gestalten, die nicht zulassen, dass so etwas wie Normalität in diese gewaltschwangere Welt einzieht. Denn sie sind nicht normalitätstauglich.

Da ist Billy Afrika, der als Jugendlicher von seinen Ganggenossen fast umgebracht wurde, zusammengeschlagen, bei lebendigem Leib verbrannt, verscharrt. Der Hauptakteur dabei, ein schwarzer Ganggeneral, der den Kampfnamen Piper trägt und der mittlerweile eine lebenslange Haftstrafe verbüßt. Ein Knastkönig, der die Welt außerhalb nicht kennt und der mit brutaler Gewalt seine Umgebung terrorisiert.

Piper und Billy Afrika sind vielfach verbunden, denn Piper hat auch den späteren Partner Afrikas erstochen, er wird später zudem die Frau und die Kinder dieses Partners ermorden, und er hat es auf Billy Afrika abgesehen.

Denn dieser Ex-Cop durchkreuzt Pipers Pläne immer wieder aufs Neue: Piper bricht aus dem Knast aus, um seine „Frau“ heimzuholen, einen Junkie namens Disco. Der Plan ist einfach, Piper begeht einfach ein paar Morde, zieht Disco mit hinein, vermeidet es, erschossen zu werden, und kehrt in sein Knastreich zurück, mit der Geliebten. Ein einfacher Plan, der dank Billy Afrika nicht funktioniert.

Dabei ist Billy Afrika anfangs nur hinter einem Waffen- und Söldnerhändler her, der ihm Sold schuldet und der von der eigenen Frau erschossen wird. Dieser gerechte Mord nun setzt eine Entwicklung in Gang, an deren Ende vom anfänglichen Personal kaum jemand übrig bleibt, ein amerikanisches Ex-Model, der verwahrloste Junge eines Polizisten und Billy Afrika. Das aber ist lange Zeit völlig ungewiss und gerecht ist es allemal nicht, denn der gute Ex-Bulle setzt einen leichenreichen Bandenkrieg in Gang, und das amerikanische Ex-Model bleibt nun mal eine Mörderin, auch wenn ihr Kerl es verdient hat, zweifelsohne.

Gerade aber diese Schonungslosigkeit, mit der Smith sein Personal verschiebt und opfert, mit der er Moral etabliert, um sie dann vorderhand selbst zu suspendieren, macht die Qualität dieses Textes aus. Kein Zweifel, schon nach zwei Krimis ist Smith ein ebenbürtiger Autor im Vergleich zu Peace und Charyn, die die zivilisatorische Halbwelt im Krimigenre groß gemacht haben. Nachdem nun der zweite Roman erneut großes Format gezeigt hat, darf man gespannt darauf sein, was nun folgen wird. Smith jedenfalls lässt erneut darauf hoffen, dass der Krimi nicht umzubringen ist, auch nicht durch seinen Erfolg.

Titelbild

Roger Smith: Blutiges Erwachen. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Jürgen Bürger und Peter Torberg.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2010.
356 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783608502060

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