„Es gibt wenig Tödlicheres als einen Alkoholiker mit Plan.“

„Jack Taylor liegt falsch“ ist der zweite Band von Ken Bruens Krimi-Reihe

Von Katrin RitteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Katrin Ritte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt Neues vom betrunkensten irischen Privatdetektiv der Literaturgeschichte: Jack Taylor ist zurück in seiner Heimatstadt Galway und nimmt die Ermittlungen wieder auf. „Jack Taylor liegt falsch“ heißt der zweite Band der irischen Krimireihe und er steht dem hoch gelobten ersten Teil in nichts nach. Ken Bruen schildert auch in der Fortsetzung mit unermüdlichem Tempo und tief schwarzem Humor absurde Fälle und skurrile Figuren.

Jack Taylors Versuch, sich in London ein neues Leben aufzubauen, scheiterte – wie nicht anders zu erwarten – kläglich. Der starrsinnige Privatermittler kehrt zurück nach Galway. Die Zeit in England hat ihn nicht nur seiner letzten Hoffnungen beraubt, sondern ihn auch um eine Kokainabhängigkeit und eine Ehefrau reicher gemacht. Zurück in Irland ist jedoch alles wie immer: Ständig kurz vor dem psychischen und physischen Zusammenbruch streunt der selbstzerstörerische Zyniker durch die Stadt und gibt sich einem Exzess nach dem anderen hin. Und so hätte es nach Jack auch weitergehen können, wäre da nicht der Landstreicher Sweeper mit einer folgenschweren Bitte bei ihm aufgetaucht. Sweepers Freunde werden getötet und die Polizei will in dem Fall nicht ermitteln, denn die Landstreicher „bringen sich, wie jeder weiß, ständig gegenseitig um“.

Sweepers einzige Hoffnung ist Jack Taylor – und dieser erklärt sich schließlich auch bereit, zu helfen: „Sagte mir: ,Der Fall ist ganz einfach. Ich muss nur herausfinden, wer und warum.‘ Ich trank den Whiskey aus und dachte: ‚Scheiß doch auf wer. Ich beschränke mich auf warum.‘“ Doch die Lösung der Morde an den Landfahrern gestaltet sich natürlich lange nicht so leicht wie gedacht. Der vermeintlich schuldige Sozialarbeiter Ron flüchtet vor Taylor und kann zunächst nicht gefunden werden. Als er dann schließlich gefasst und von den Landfahrern eigenmächtig bestraft wird, stellt sich heraus, dass Jack Taylor mit seinen Verdächtigungen falsch lag.

Dass der zugedröhnte Privatdetektiv jedoch nicht nur in beruflicher Hinsicht zum Scheitern verurteilt ist, sondern auch im Liebesleben eine Flaute nach der anderen hinnehmen muss, überrascht nicht weiter. Vielmehr ist es genau das, was an diesem Buch soviel Spaß macht: Ein rotziger Held, der eigentlich kein Held ist und der nicht nur zu seinen Mitmenschen, sondern auch zu sich selbst unerhört ehrlich ist. „Meistens war ich zu besoffen gewesen, um irgendwas zu meinen“, stellt Jack ernüchtert fest, während er sich an seinem Whiskeyglas festhält. Dieser einsilbige Versager könnte aus einem Roman Bukowskis entsprungen sein: Depressiv, ziellos, destruktiv, schlagfertig und belesen.

Doch nicht nur der lakonische Held zeichnet die Krimireihe von Ken Bruen aus: Auch die sprachliche Dynamik des Autors reißt den Leser mit. Der Roman gewinnt zunehmend an Fahrt – ein harter Spruch folgt dem anderen, ein schlagfertiger Dialog löst den vorherigen ab: „,CD?‘ – ,Declan, es liegt mir denkbar fern, dir sagen zu wollen, wie du deine Geschäfte zu führen hast, aber wenn der Kunde über vierzig ist, kauft er keine CDs.‘ – ,Du musst mal digital werden.‘ – ,Ich muss mal ordentlich GV haben. Kann ich jetzt vielleicht die Platte kriegen?‘ –,Mensch, Jack, du bist ein empfindlicher Schweinehund. Was ist mit deiner Nase passiert?‘ –,Ich habe jemandem gesagt, er muss mal digital werden.‘“

Es scheint vorprogrammiert, dass Bruen dieses Tempo nicht bis zum Ende des Buches durchhalten kann – doch er überrascht den Leser mit enormer Durchhaltekraft. Dass er dabei in der Mitte des Romans ein wenig an Witz und Geschwindigkeit verliert, sei ihm verziehen, denn dies holt er am Ende wieder raus.

Als Warnung sei jedoch noch angemerkt: Zwar prangt „Irish Crime“ auf dem Cover der Neuerscheinung, doch nach der Lektüre muss man feststellen: Ein Krimi ist dies wohl nicht, zumindest nicht in erster Linie. In ein Genre kann man die bitterbösen Texte Bruens kaum einordnen, aber lesenswert sind sie allemal. Und für die Übersetzung eines derartigen Textes eignet sich wohl keiner besser als Harry Rowohlt, denn der Ton des Romans übersteht dank Rowohlt nicht nur die Übersetzung, sondern gewinnt sogar mit ihr.

Wie Jack Taylor kommt übrigens auch Bruen selbst aus Galway, er weiß also, wovon er schreibt. „Niemand behauptet, aus Galway zu sein; entweder ist man daher oder nicht“, bemerkt der Protagonist seiner Krimireihe treffend. Hinter diesem grimmigen Humor versteckt sich eine Gesellschaftskritik an der sozialen Ungleichheit in Irland, die man nur schwerlich überlesen kann. Es sind also nicht nur unterhaltsame Kriminalromane, die Bruen schreibt, sondern Texte mit einem bitteren Beigeschmack.

„Was mich davon abgehalten hat, den gleichen Weg wie Jack einzuschlagen, ist das Schreiben. Ich liebe es zu sehr, um es für Drogen oder Alkohol zu vergeuden“, sagt der Autor über sich selbst. Und dafür kann man als Leser nur dankbar sein, denn auf den düsteren Witz, mit dem Bruen ein Bild des Irlands der Gegenwart zeichnet, will man nicht verzichten. Auf jeden Fall darf man gespannt sein, wie es mit Jack Taylor weitergeht, und hoffen, dass Rowohlt auch die folgenden Bände schnell übersetzt.

Titelbild

Ken Bruen: Jack Taylor liegt falsch.
Übersetzt aus dem Englischen von Harry Rowohlt.
Atrium Verlag, Zürich 2010.
240 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783855350452

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