Wie Figuren in einem Buch

Heinrich Steinfest geht mit seinem Roman „Gewitter über Pluto“ in eine neue Runde und gibt seinem literarischen Spieltrieb wieder Futter

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Immer wieder verständigen sich Figuren in einem literarischen Text darüber, wie sie mit ihrem Autor verfahren wollen. Und sie sind ihm dabei nicht notwendig wohl gesonnen. Das treibt gelegentlich rechte Schnurren aus, und mit Heinrich Steinfests neuem Werk ist solche Schnurrentreiberei auf die vergnügliche Spitze getrieben.

Nun ist das nicht unbedingt unerwartet, da Steinfest doch beim Spiel mit dem Literarischen gewohnheitsmäßig nahezu maßlos agiert. Literarische Perlen wie „Mariaschwarz“ können dafür aus der jüngeren Zeit als Exempel herhalten. „Gewitter über Pluto“ knüpft daran erkennbar an, und Steinfest scheint immer noch nicht ausgeschrieben zu sein, denn auch dieses Stück Literatur ist vom Feinsten, abgehangen und wohlschmeckend, ein Genuss und ein Vergnügen, dem man gern ein paar Stunden Lebenszeit widmet. Und von denen hat man als Normalmensch nicht allzu viele zu verschleudern, erst recht nicht für schlechte Bücher.

Steinfests „Gewitter über Pluto“ ist hingegen ein guter Roman, es ist ein reflektiertes Buch und sehr kurzweilig obendrein. Ein Krimi ist es freilich nicht, dazu fehlt es Steinfest am Ende doch zu sehr am Willen, sich innerhalb fester Genregrenzen zu bewegen. Konsequent ist dahwer die Roman-Firmierung des Textes. Da helfen dann auch keine Leiche, kein Killer und kein Kommissar, der sich an eine Mordermittlung macht.

Steinfest ist erkennbar nicht daran interessiert, einen Krimi zu schreiben. Stattdessen spielt er mit dem Genre, mischt es sogar noch mit Science Fiction und webt daraus einen Text, der so herrlich verrückt ist, dass es keine Freude ist, ihn allzu schnell zu beenden. Dieses Vergnügen will gerne verlängert sein.

Allein der Ausgangspunkt der Handlung ist schon gut gewählt: Ein gewisser Lorenz Mohn gibt seinen langerprobten Beruf als Pornofilmdarsteller auf, um in Wien ein Handarbeitsgeschäft zu eröffnen, das den Namen Plutos Liebe tragen wird. Mit geliehenem Geld, wie es sich versteht, das er am Ende nicht zurückzahlen können wird. Dabei lernt er eine Frau kennen, die dann die Frau seines Lebens werden soll, gerät dabei aber in einen Mordfall. Als er im Hinterzimmer seines neuen Ladens nächtigt, findet er am Morgen unter seinem Bett eine Leiche, der die Kehle durchschnitten wurde, und auf dem Boden des Zimmers eine ziemlich große Blutlache.

Die Ermittlungen, die allerdings im Stande verlaufen, übernimmt ein in Wien lebender junger griechischer Beamter. Was weder er noch Lorenz Mohn wissen ist, dass der Mörder ein Außerirdischer ist, der von einem Planeten auf der anderen Seite der Sonne stammt.

Dieser Herr zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass er sich wie seine Artgenossen nicht von den irdischen Menschen unterscheidet, außer dass er und Seinesgleichen eine Lebenserwartung von einigen hundert Jahren haben. Dafür wird ihr Planet von einer Vogelplage überzogen, derer auch diese fortgeschrittene Zivilisation nicht Herr wird. Den Weltraum durchqueren, aber mit Vogeldreck nicht klar kommen? Wenn da mal nicht die Deutsche Bahn Pate gestanden hat.

Da sich die Extraterristrischen ansonsten durch keinerlei Herrschaftswillen auszeichnet, richtet sich das Interesse ihrer Agenten auf den Umgang der Menschen mit den Vögeln und alles, was damit zusammenhängt. So kommt auch der Mord zustande, der mit der Beschaffung eines versteinerten Archaeopteryx in einer Weise zusammenhängt, wie sie hier nicht weiter ausgeführt werden soll.

Jedenfalls werden die Lebensbahnen des Ex-Pornodarstellers und des Alien in Steinfests Roman zusammengeführt und anschließend wieder elegant getrennt, um am Ende doch wieder zusammentreffen zu müssen, um so etwas wie ein Showdown möglich zu machen.

Aber auch was das angeht, spielt Steinfest nur wieder mit der Normalvorstellung einer Western/Krimi-Schlusssequenz, in der Bösewicht und Held aufeinander treffen. Denn weder ist der Bösewicht (Alien) böse: Ganz im Gegenteil, er liebt seine irdische Frau und die Erde, und er zeichnet sich durch einen höchst kultivierten Umgang mit den irdischen Gegebenheiten aus. Noch ist der Held einfach nur gut. Dazu ist er am Ende in seiner Wahrnehmung doch zu sehr eingeschränkt, leidet er doch an einem Leiden, das sich Neglect nennt und das zur Ausblendung einer ganzen Körper- und Wahrnehmungshälfte führt. So jemand eignet sich zum Opfer, aber nicht zum Retter, als der er – um sein Darlehen abzugelten – am Schluss des Romans auftreten soll. Das alles ist nicht logisch, erst recht nicht wahrscheinlich, und die Figuren mühen sich vergeblich damit ab, der ganzen Handlung, die einfach nur geschieht, Sinn zu verleihen. Immerhin sei das ihre Aufgabe, gesetzt, das, was ihnen geschieht, geschähe in einem Roman, der dann am Ende auch nicht wirklich schließt.

Aber alles das ist höchst amüsant zu lesen, Steinfest beleidigt nicht die Intelligenz seiner Leser, ganz im Gegenteil, er regt sie an und scheint Respekt vor ihr zu haben. Und das finden wir, gesetzt, das fände alles in einem Roman statt, ganz hervorragend.

Titelbild

Heinrich Steinfest: Gewitter über Pluto. Roman.
Piper Verlag, München 2009.
422 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783492053105

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch