Drei Schwestern und das Lebensglück

Milena Agus — ein großes italienisches Erzähltalent für die leisen Zwischentöne des menschlichen Zusammenlebens

Von Barbara TumfartRSS-Newsfeed neuer Artikel von Barbara Tumfart

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Milena Agus unterrichtet hauptberuflich Italienisch und Geschichte an einer Berufsschule und hat in den letzten Jahren mit ihren gefühlvollen Büchern völlig überraschend die internationalen Bestsellerlisten erobert. Nach ihren Romanen „Die Frau im Mond“ und „Die Flügel meines Vaters“ liegt nun bereits ihr dritter Roman unter dem Titel „Die Gräfin der Lüfte“ in einer stimmigen Übersetzung von Monika Köpfer in deutscher Sprache bei Hoffmann und Campe vor. Einmal mehr ist die Handlung des Buches auf der italienischen Insel Sardinien angesiedelt — nicht weiter verwunderlich, stammen doch die Eltern der in Genua geborenen Autorin von dort. Zudem lebt Agus selbst in Cagliari, der Hauptstadt Sardiniens, kennt somit Land und Leute besonders gut — ein Wissen, das sich auch in ihren Büchern niederschlägt.

In ihrem neuesten Buch erzählt sie die Geschichte von drei Schwestern aus einer verarmten sardischen Adelsfamilie, die in einem heruntergekommenen Stadtpalast in Cagliari wohnen, der zum größten Teil bereits verkauft werden musste. Noemi, die älteste Schwester ist Richterin und träumt davon das Haus wieder zur Gänze in ihren Besitz zu bekommen und es in seinem alten Glanz erstrahlen zu lassen. Maddalena, die mittlere der drei Schwestern ist mit Salvatore verheiratet, den sie abgöttisch liebt. Das heiß ersehnte Kinderglück will sich allerdings trotz leidenschaftlichstem Sex nicht einstellen. Die jüngste Schwester, die wegen ihrer Ungeschicklichkeit spöttisch Contessa die Ricotta genannt wird, hat einen fünfjährigen Sohn namens Carlino, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit von zu Hause wegläuft und in jedem fremden Mann eine Vaterfigur sucht. Mitten in das unspektakuläre Leben dieser drei Frauen tritt der bis dato wenig beachtete Nachbar und bringt vor allem das Leben der Contessa gehörig durcheinander. Doch auch Noemi findet kurzzeitig Liebe und Erfüllung in einer Affäre mit dem Handwerker Elias.

Agus Buch begeistert nicht durch beeindruckende oder spannende Handlungsmomente. Es ist vielmehr ein leises und berührendes (Märchen-) Buch über drei völlig unterschiedliche Schwestern auf der Suche nach der großen Liebe und dauerhaftem Lebensglück. In heiterer, mitunter witzig-ironischer Sprache werden die alltäglichen kleinen Ereignisse im Leben dieser Familie erzählt und in unnachahmlich unterhaltsamer Weise von ihren Schicksalsschlägen, ihren Hoffnungen und Irrwegen berichtet. Sympathische Figuren agieren inmitten einer glaubwürdigen, realistischen sardischen Szenerie und bestechen den Leser durch ihre Einfachheit und Liebenswürdigkeit. Man darf auf einen neuen Roman der italienischen Lehrerin und Schriftstellerin hoffen. Mit „Die Gräfin der Lüfte“ hat sie einmal mehr ihr großes Erzähltalent für die leisen Zwischentöne des menschlichen Zusammenlebens unter Beweis gestellt und kurzweiligen literarischen Lesegenuss geschaffen.

Titelbild

Milena Agus: Die Gräfin der Lüfte. Roman.
Übersetzt aus dem Italienischen von Monika Köpfer.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2010.
126 Seiten, 15,00 EUR.
ISBN-13: 9783455400403

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