Deprimiert in Bildern

Mimi Welldirty schreibt mit „Immy and the City. Depresso to go“ eine kleine Bildergeschichte über das Leben

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Über die Merkwürdigkeit, die wichtigsten Dinge der Gegenwart in einer kleinen Bildgeschichte zusammenzufassen – darüber berichtet das kleine Büchlein „Immy and the City. Depresso to go“ von Mimi Welldirty. Auf 124, mit ganzseitigen Illustrationen versehenen Seiten wird die eigentlich alltägliche Geschichte einer jungen Frau namens Immy in einer Großstadt erzählt. Wenige Zeilen Text nur findet man auf jeder Seite. Die Geschichte wirkt wie ein Bilderbuch für Erwachsene.

Immy hat eine Wohnung, einen Job, und hatte bis vor kurzem einen Freund. Dieser ist seit einem Jahr tot, die Wohnung ängstigt sie und der Job ist grauenhaft: „Ich fühlte mich wie tot. Vermutlich der perfekte Augenblick, den Weg ins Büro anzutreten.“ An anderer Stelle überlegt die Protagonistin: „Aber wohin soll ich rennen! Bis ans Ende der Welt? Wird dort mein Leben beginnen? Dort, wo die Welt zu Ende ist? Am Ende schlafloser Nächte. Am End meiner Gedanken, die sich immerzu im Kreise drehen. Am Ende der Stimmen in meinem Kopf. Das Ende des Wahnsinns […] ist das Ende der Stadt.“

Von diesen kleinen, poetischen Textbildern reiht die Musikerin, Texterin und Grafikerin Mimi Welldirty – in den mehr oder weniger umfangreichen Untertiteln zu den Bildern ihres Miniromans – eines an das andere. Schon allein wegen dieser kleinen, oft einsätzigen Prosaminiaturen sei auf dieses ungewöhnliche Gesamtkunstwerk hingewiesen. Selten wird man so bezaubert, das man sich eigentlich kaum entscheiden kann, was man mehr loben soll: Text oder Bild? Letztendlich wäre diese kleine Reise in die Welt der Poesie für jeden Menschen der Gegenwart eine sinnvolle Lektüre, thematisiert sie doch die existenziellen Themen der heutigen Zeit.

In dem kleinen Büchlein gibt es viele Geschichten. Geschichten über Einsamkeit, Verlassenheit, von Hoffnung und Enttäuschung und vor allem vom Durchhalten und dem Wunsch nach Glück. Immy ist die Protagonistin einer Welt, in der man eigentlich verzweifeln sollte. Sie ist aber auch eine Heldin, die trotz Depression und Hoffnungslosigkeit immer wieder einen Weg entdeckt, die nächste Seite in ihrem Leben aufzublättern. Wenn man sich von der Poesie der Bilder und dem charmanten Ton der Texte einfangen lässt, gehört Immy und ihre unzähligen ,Depressos‘ zu einer der schönsten Graphic Short Novels der letzten Zeit. Wer hätte gedacht, dass die Geschichte eine Persiflage, eine Metapher und gleichzeitig ein Gegenbild zu New York ist – die Geschichte über eine „Stadt, die niemals erwacht“ – und eine poetische Meisterleistung in Worten und Bildern.

Titelbild

Mimi Welldirty: Immy and the City. Depresso to go. Die traurigste Geschichte der Welt.
Atrium Verlag, Zürich 2010.
124 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783855357925

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