Gelungenes und unterhaltsames Krimidebüt

Martin Mucha schreibt in „Paperkrieg“ über die Russenmafia, antike Papyrusrollen, einen Unterweltboss und einen unkonventionellen, Wiener Altphilologen

Von Barbara TumfartRSS-Newsfeed neuer Artikel von Barbara Tumfart

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ende April kam die Meldung, dass „Papierkrieg“ von Martin Mucha nach bereits 4.000 verkauften Exemplaren in die zweite Auflage gehen wird. Das ist nicht sonderlich verwunderlich, ist doch das Krimidebüt Muchas, der im steirischen Graz geboren wurde, eine äußerst gelungene Mischung aus mäßig spannender Krimihandlung und ironisch-kritischer Beschäftigung mit Klischees der „Hartboiled-Tradition“. Angesiedelt ist der Krimi in Wien, der Wahlheimat des promovierten Autors und er kreist rund um den sympathischen Anti-Helden Arno Linder, der in dem knapp 370 Seiten umfassenden Buch eine unterhaltsame und skurrile Gratwanderung zwischen Rechtschaffenheit und Illegalität unternimmt. Als unterbezahlter Dozent der Alten Philologie an der Universität Wien ist er in ständigen Geldnöten und stets bereit, sein mageres Budget durch Gelegenheitsjobs aufzubessern. Als ihm eines Nachts ein stark angetrunkenes junges Mädchen vor der eigenen Haustüre in die Arme taumelt, mutiert er zum Gentleman und nutzt die Chance, die Schöne in ihrem sportlichen Flitzer in das wohlbehütete Elternhaus in einem Wiener Nobelbezirk zu kutschieren. In der Handtasche der jungen Dame findet er eine erst kürzlich benutzte Pistole, später zuhause in der Wohnung über ihm den offenbar damit getöteten Nachbarn. Er wittert seine Chance und bietet dem Vater, Partner in einer renommierten Wiener Anwaltskanzlei, an, das verwöhnte Töchterchen aus dem Mordfall herauszuhalten, wenn dieser sich finanziell dafür erkenntlich zeigt. Doch Linder hat die Tragweite des Falles eindeutig unterschätzt und sehr rasch wächst ihm die Sache über den Kopf. Die Polizei heftet sich hartnäckig an seine Fersen und auch der nicht zimperliche Boss eines Spielcasinos und langjährige Regent der Wiener Unterwelt erschwert ihm sein künftiges Dasein. Als ihm dann auch noch ein serbischer Kunsthändler eine wertvolle antike Papyrusrolle anbietet, an der auch die Russenmafia reges Interesse zeigt, wird die Situation brenzlig. Umso verwunderlicher erscheinen Linders Reaktionen auf all diese Gefahren: Teeschlürfend und musikhörend dreht er sich einen Joint nach dem anderen, wird sogar gegenüber russischen Schlägertypen handgreiflich und zeigt sich auch von einer Reihe weiterer brutaler Morde nicht erschüttert.

Mucha ist mit „Papierkrieg“ ein zwar nicht allzu spannender, aber überaus unterhaltsamer Kriminalroman gelungen, der seinen Reiz durch die Unvorhersehbarkeit der Ereignisse, die detailgetreue Schilderung der örtlichen Begebenheiten und dem Arsenal an höchst bizarren und vielschichtig gezeichneten Figuren gewinnt. Entgegen der üblichen Krimitradition gibt es kein eindeutiges Schwarz-Weiß oder Gut-Böse – Schema, die Grenzen zwischen Legalität und Verbrechen werden aufgeweicht und scheinen zu verschwinden. Auch wenn das Handeln der Hauptfigur mitunter absolut unreal erscheint (manchmal fragt sich der Leser wirklich, ob ein „normaler“ Mensch sich derart blauäugig in potentielle Gefahrensituationen begeben würde) und am Ende des Buches die tatsächlichen Zusammenhänge nur unzureichend aufgedeckt werden, hinterlässt Muchas Krimidebüt einen nachhaltig positiven Gesamteindruck und macht neugierig auf eine mögliche Fortsetzung rund um den chronisch verschuldeten, teetrinkenden und philosophierenden Wiener Altphilologen und Jazz-Freak.

Titelbild

Martin Mucha: Papierkrieg. Kriminalroman.
Gmeiner Verlag, Meßkirch 2010.
372 Seiten, 11,90 EUR.
ISBN-13: 9783839210543

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