Surrealistische Eier

Dirk Stermanns Gedanken werden in seiner Kolumnensammlung „Eier“ nicht durch Konventionen oder Logik gebremst

Von Stefan CernohubyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Cernohuby

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

So mancher Prophet gilt im eigenen Lande nicht so viel, sondern kann sich erst in fremden Gefilden wirklich entfalten. So ist es auch Dirk Stermann ergangen, der als gebürtiger Duisburger in Wien als eine Hälfte des Radio- und TV-Duos „Stermann und Grissemann“ mittlerweile Kultstatus erreicht hat. Die schriftstellerischen Ergüsse des Kabarettisten sind allerdings nicht jedem bekannt. Dem soll nun mit dem Buch „Eier“, einer Sammlung seiner Kolumnen, abgeholfen werden.

Stilecht beginnt das Werk mit einer Kurzgeschichte, die so manchem Hörer des Radiosenders FM4 bekannt vorkommen könnte – nämlich einem „Tatsachenbericht“ über die mangelhafte Ausstattung von Theatern und die Kosten einer Theaterkarte im Vergleich zum Einkommen einer sechsköpfigen Schauspielerin. Weiter geht es mit Jugenderinnerungen an die Ex-Hippie-Eltern, danach werden vier typische deutsche Städte vorgestellt, um zu beweisen, dass Wien einfach lebenswerter ist. Der Leser erfährt dabei interessante Fakten, so zum Beispiel, dass Stuttgart eigentlich nur ein großer Campingplatz ist, Hannover eine Kläranlage und dass in Nürnberg niemand an Gott glaubt. Ein wiederkehrendes Thema ist eine Zugreise durch Georgien, wo ein Deutscher, ein Österreicher und ein Russe an immer absonderlichere Orte gelangen. Philosophiert wird über den Muttertag, die Mütter von Massenmördern und Reisen in das Innere von Kühen. Die weiteren Erzählungen drehen sich um Wortspiele, seltsame Gedankengänge und sehr freie Assoziationen. Zahlreiche der in diesem Buch versammelten Erzählungen stammen aus der Zeitschrift „Wiener“, für die Dirk Stermann regelmäßige Kolumnen abgeliefert hat.

Regelmäßigkeit, ein roter Faden oder auch nur irgendwelche Ähnlichkeiten sind zwischen den Kurzerzählungen nicht zu finden – abgesehen davon, dass sie alle gleichermaßen absurd sind. Stermann stellt Gedankengänge vor, die extrem verwirrend sind. Er zieht absichtlich völlig falsche und lachhafte Behauptungen als Fakten heran, um auf ihnen seine Ideenkonstrukte aufzubauen. Das bietet zwar eine unendliche Anzahl an potenziellen Erzählungen, ist für den Leser allerdings nur schwer zu verdauen – besonders wenn dieser vorhat, mehrere Geschichten hintereinander zu lesen. Es empfiehlt sich daher, immer nur eine der Kurz- und Kürzesterzählungen zu konsumieren und sie danach ein wenig ruhen zu lassen, bevor man sich an der nächsten versucht. Und leider sind nicht alle Erzählungen auf dem gleichen Niveau wie die gelungene erste. Auch wenn sich der eine oder andere Lichtblick unter den Geschichten findet, ist das Endergebnis nicht gerade überdurchschnittlich. Freunde satirischer Texte und Fans des Kabarettisten werden höchstwahrscheinlich auf ihre Kosten kommen. Jemand, der sich aber ohne Vorwissen an das Buch wagt, könnte möglicherweise negativ überrascht werden. Daher kann man das Werk wirklich nur wahren Fans und Liebhabern experimenteller satirischer Literatur empfehlen.

Titelbild

Dirk Stermann: Eier. Gesammelte Kolumnen.
Czernin Verlag, Wien 2010.
165 Seiten, 15,90 EUR.
ISBN-13: 9783707603217

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