Krimi Noir in Ungarn

Vilmos Kondors Roman „Der leise Tod“ ist handwerklich solide geschrieben

Von Monika GroscheRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Grosche

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Klappentext von „Der leise Tod“ ist recht vielversprechend: „Zsigmond Gordon macht Philip Marlowe Konkurrenz!“ heißt es da. Und auch der Plot des seit Juni 2010 auf Deutsch vorliegenden Krimis des ungarischen Autors Vilmos Kondor wirkt zunächst recht verheißungsvoll, bieten sich doch dem deutschsprachigen Lesepublikum nicht gerade häufig ungarische Kriminalromane zur Lektüre an – noch dazu solche, die in der Umbruchzeit der 1930er-Jahre spielen, die auch in Ungarn vom aufkeimenden Faschismus und dem nahenden Weltkrieg geprägt waren.

Im Mittelpunkt des Romans steht Zsigmond Gordon, der als Polizeireporter bei einer großen Tageszeitung arbeitet. Durch seine Tätigkeit kennt er die dunklen Seiten der Stadt an der Donau nur zu genau. Doch im Herbst 1936 sieht sich Gordon mit einem Auftrag ganz anderer Art konfrontiert: Er soll über die Reaktionen der internationalen Presse auf den Tod des ungarischen Ministerpräsidenten Gyula Gömbös berichten, der während eines Aufenthaltes in München verstarb. Gömbös hatte sich dort nicht nur wegen einer schweren Krankheit behandeln lassen, sondern auch seine freundschaftlichen politischen Bande zu den Nazis gepflegt.

Gordon verspürt allerdings keine besondere Lust, die europäische Presse nach Nachrufen auf den Politiker zu durchforsten und Botschafter am Rande der Trauerfeierlichkeiten zu interviewen. Ihn interessiert vielmehr der undurchsichtige Fall einer zu Tode geprügelten schwangeren jungen Prostituierten, der nur auf den ersten Blick wie ein „normaler“ Mord im Rotlichtmilieu aussieht. Denn die junge Frau ist keineswegs eine gewöhnliche Prostituierte. Vielmehr war sie eine Jüdin aus gutem Hause und trug als einzigen Besitz ein jüdisches Gebetbuch für Frauen in ihrer Tasche. Hinzu kommt die verstörende Tatsache, dass Gordon ausgerechnet bei einem Kriminalkommissar unlängst Aktfotos genau eben dieser jungen Dame in der Schublade gefunden hat.

Gordons Neugier ist geweckt, und er setzt alles daran, um den Hintergründen der Tat auf die Spur zu kommen. Doch je mehr der Reporter in dieser Angelegenheit ermittelt, desto mehr stößt er auf Widerstände, denn seine Ermittlungen führen ihn immer tiefer in höchste gesellschaftliche und politische Kreise, die keineswegs Wert darauf legen, den Mord aufgedeckt zu wissen.

Wer in Kondors „Der leise Tod“ einen anspruchsvollen historischen Kriminalroman sucht, der einiges von der Atmosphäre der Vorkriegszeit in Ungarn vermittelt, der wird bei der Lektüre des Romans wohl eher enttäuscht werden. Die Chance, hier auch ein Stück Zeitgeschichte lebendig werden zu lassen, verstreicht ungenutzt, historisches Geschehen und Krimihandlung bleiben eher unverbunden nebeneinander stehen.

Wer allerdings nichts weiter sucht als einen handwerklich soliden Krimi Noir, der mit ungarischem Lokalkolorit als unterhaltende Urlaubslektüre taugt, wird es nicht bereuen, gemeinsam mit Zsigmond Gordon in Buda und Pest auf Spurensuche zu gehen.

Titelbild

Vilmos Kondor: Der leise Tod. Kriminalroman.
Aus dem Ungarischen von Hans Skirecki.
Droemersche Verlagsanstalt, München 2010.
266 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783426505762

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