Der deutsche Herbst – und kein Ende

Thomas Hoeth thematisiert in seinem Krimi „Herbstbotin“ die RAF

Von Stefan SchweizerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Schweizer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Zahl der literarischen Themen, die den Themenkomplex Rote Armee Fraktion in ihre Handlung einbinden, steigt an. Meistens geschieht das Aufwerfen der RAF-Thematik en passant und bildet eine eher unwichtige Verästelung des Plots.

Das Thema von Thomas Hoeths Roman „Herbstbotin“ hingegen besteht in den Nachwehen des Deutschen Herbstes auf die bundesrepublikanische Gesellschaft – hier in Stuttgart und Baden-Württemberg. Die Geschichte handelt von Verrat, Niederlagen und menschlicher Niedertracht, aber auch von Hoffnung und Liebe.

Der Protagonist Amon Trester ist von einem modernen Phänomen betroffen: Er leidet an den Nachwirkungen eines Burnout-Syndroms. Dieses ist sicherlich auch auf seine Tätigkeit als LKA-Zielfahnder zurückzuführen. Dort hatte Trester intensiv gegen die RAF gekämpft. Der Kampf endete in der Psychiatrie und im Kloster. Nun fristet Trester sein Dasein als privater Ermittler in der Schwabenmetropole Stuttgart. Das Motiv des ausgebrannten hard-boiled-Detektivs ist seit Chandler und Hammett bestens bekannt. Dass diese Konstellation nun für einen ehemaligen RAF-Ermittler zutrifft, kann als innovativ gelten.

Obwohl sich Trester vorgenommen hatte, um seiner selbst willen nicht mehr mit Linksterrorismus in Kontakt zu kommen, lässt er sich auf die Suche nach einer angeblichen Terroristin der ersten RAF-Generation ein. Monika Gütles Tochter verstand es nämlich, Trester zu dem Auftrag zu überreden. Für Trester beginnt ein Trip in die Vergangenheit und Hölle, der seine schlimmsten Erwartungen noch übertrifft.

Hoeth beweist eine intime Kennerschaft der Vorgänge um den Deutschen Herbst und die RAF, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass die Theorie zu viel Gewicht gewinnt. Im Gegenteil: Die in den Roman eingeflochtenen Sachverhalte wirken organisch eingebunden und treiben die Handlung logisch und konsistent voran. Wer sich nicht gut in der RAF-Materie auskennt, wird manches Mal Schwierigkeiten haben, Fakten und dichterische Freiheit auseinander zu halten. Die Charaktere von Hoeth sind plausibel entworfen und psychologisch schlüssig. Dies ist gerade bei solch einer schwierigen Hintergrundthematik wie der des Terrorismus ein umso größeres Verdienst.

Thomas Hoeths „Herbstbotin“ ist ein mehr als gelungener Debüt-Roman, der zu Recht ausgezeichnet wurde. Allen, die sich mit dem Thema RAF und Deutscher Herbst beschäftigen, sei dieser Roman ans Herz gelegt, da er es versteht, neue Facetten und Blickwinkel aufzuzeigen. Ebenso ist der Roman ein Muss für Fans von Krimis aus dem Muster-Ländle.

Titelbild

Thomas Hoeth: Herbstbotin. Ein Stuttgart-Krimi.
Silberburg Verlag, Tübingen 2009.
221 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783874078528

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