Schon wieder eine neue „Generation“?

Zu Douglas Couplands Roman „Generation A“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Douglas Couplands lässt seine Geschichte mit fünf Protagonisten beginnen. Alle leben an unterschiedlichen Orten auf dem Globus. Alle fünf werden von Bienen gestochen, was eine Sensation ist, denn Bienen sind in der neuen Welt, in Couplands Zukunft, ausgestorben. Ein aufwendiger, weltweiter Koordinationsausschuss stellt die fünf betroffenen Menschen unter Quarantäne, untersucht und beobachtet sie und möchte ihre „Besonderheiten“ erforschen, warum gerade diese Fünf von Bienen gestochen wurden. Die Exponiertheit dieser Aktion wird deutlich, wenn man sich die Auswirkungen vom Aussterben von Bienen auf dem Planeten vergegenwärtigt. Werden keine Pflanzen bestäubt, fallen große und weite Teile der Ernten weltweit aus. Allein die Einschränkung bei den Nahrungsmitteln würde zu extremen Eingriffen in die Sozial- und Finanzstruktur der Staaten und damit des Planeten führen.

Die fünf Protagonisten werden durch ihre „Besonderheit“ bekannt wie Popstars, verlieren ihr privates Leben, werden Hoffnungsträger und gleichzeitig Opfer einer aus den Fugen geratenen Welt. Trotz dieses düsteren Szenarios gelingt Coupland eine in den Details sehr unterhaltende Darstellung, wenn er den Humor seiner Protagonisten ausspielt: „Ich schickte ein Gebet an meinen persönlichen Schutzheiligen, den heiligen Todd, Patron der manipulierten Daddelautomaten, der Algenpest, geknickten Gartenschläuche und unbeschriebenen Grabsteine, dann wurde ich bewusstlos.“ Die „Geschichte“ des Romans wird jeweils in einzelnen Abschnitten aus der Perspektive der von den Bienen gestochenen Protagonisten erzählt. Nach mehreren Wochen wollen die fünf „Betroffenen“ sich treffen, sich untereinander auszutauschen. Man hat das Gefühl, etwas „Neues“ zu sein: „Dass du gestochen wurdest, ist nur ein weiterer Fingerzeig, dass die Letzte Generation gekommen ist – die Letzte Generation, die wir sind.“

Coupland lässt durch eine Reihe von Erzählungen der Protagonisten für alle Beteiligten Ursachen für die Situation der Welt aus dem Dunkel der Vermutungen auftauchen, die so einfach wie auch plausibel sind und aktuelle Gefährdungen unserer Gegenwart nur ein wenig extrapolieren: „Trevors Firma war schließlich in der Lage, das Medikament in ausreichend großen Mengen kostendeckend herzustellen, aber um Gewinne zu erzielen, mussten sie die Zielgruppen schnell abhängig machen. Wie sich zeigte, was das ein Leichtes, da das Medikament hundertprozentige Konsumzufriedenheit erreichte und im persönlichen Umfeld uneingeschränkt weiterempfohlen wurde. Die Welt geriet zu einer Welt von Einzelgängern. Familien zerfielen. Kasinos gingen pleite. Gefängnisse verloren ihren abschreckenden Charakter, und die Kriminalität blühte. / Und viele Pflanzen konnten nicht mehr befruchtet werden, weil es keine Bienen mehr gab. / Dann stach eines Tages eine Apis mellifera irgendeinen Kerl in Iowa, und die Hölle brach los.“ Die Entwicklung eines Medikaments beziehungsweise einer Droge hat in ihren Nebenwirkungen katastrophale und irreversible Konsequenzen für die Bevölkerung des Planeten Erde.

Coupland entwirft eine negative Utopie. Medialer Overkill und rücksichtslose Behandlung der wichtigsten Ressource der Menschheit, des Planeten Erde, führen zu einer Katastrophe, die eigentlich nur von einer neuen „Generation X“ überwunden werden könnte, die mit neuen Werten und Zielen die Katastrophe der Vergangenheit – unserer Gegenwart – überleben könnte. Bei der Beschreibung der Auswirkung der Droge, die zu der Katastrophe geführt hat, kommt Coupland einer Beschreibung unserer medialen Gegenwart sehr nahe: „Ehrlich. Also, um es kurz zu fassen, angesichts der derzeitigen medialen Verfassung der Welt sind Sie mehr oder weniger dazu verdammt, uninteressant und geschichtslos zu sein.“ Dass Coupland dabei auch noch eine höchst individuelle Ursache für die Katastrophe ausmacht, findet man nur in einem kleinen Nebensatz, der aber das ganze Potential einer aus den Fugen geratenen Welt enthält. Der Verantwortliche für die Herstellung der „Droge“ liefert die Begründung für die eigentlichen Gründe der Katastrophe: „Du verstehst einfach nicht, was Macht bedeutet. Warum ist es tue? Warum ich es tue? Weil ich es kann.“

Über die ganze Problematik hinweg soll nicht vergessen werden, dass es ein unterhaltsamer Roman ist, der auch in der Übersetzung jede Menge Sprachwitz entbirgt, wenn auch oft apokalyptischer Natur. Und wenn sich die Story mit den einzelnen Erzählungen im Roman zum Ende hin auch manchmal ein wenig verwirrt, ist es eine sehr nutzbringende Lektüre, die die Coupland in eine Reihe mit den großer Autoren negativer Utopien stellt.

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Douglas Coupland: Generation A. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann.
Tropen Verlag, Stuttgart 2010.
333 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783608004687

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