Ein Voodoo-Slasher auf dem Dorf

Sobo Swobodnik entspanntes Kriminalstück „Kuhdoo“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Wortspiel, das den Titel des Romans bildet, ist – wenn man es denn gleich verstanden hat – vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig. Handlungsort ist die Schwäbische Alb, die Provinz, das Heimatdorf des Ermittlers. Vinzi, einer der Protagonisten und „zufälliger“ Assistent des Ermittlers Plotek, erklärt den Romantitel kurz und prägnant: Kuhdoo ist „Voodoo mit Kühen. Mit den Kuhfladen von den Kühen, verstehst du?“ Vinzi ist Ploteks ortskundiger Partner bei den Recherchen um den Tod von dessen Vater – und er bestreitet vom Rollstuhl aus seinen Lebensunterhalt mit dem Internetverkauf von gebrauchten Damenhöschen. Der Ermittler Plotek ist da weniger ambitioniert: „Am liebsten saß er bei normalem Puls in seiner Lieblingsgaststätte und ließ die Zeit wie einen gleichförmigen Bach an sich vorbeifließen“.

Sobo Swobodnik baut systematisch einen Anti-Ermittler auf und beschreibt ein für einen „Kriminalfallaufklärer“ ungewöhnliches Charakterbild: „Zeitung lesen ist der Wirklichkeit zu viel Platz einräumen. Was ging ihn, Plotek, schon an, was in der Welt los war? Nichts. Die Welt da draußen war schon lange nicht mehr seine eigene. Seine Welt bestand aus dem, was in keiner Zeitung stand: Weißbier, Tequila, Schweinsbraten mit Knödel, Süßspeisen, einem Schuß Nihilismus, einer großen Portion Melancholie, ein paar Takten David Bowie und manchmal ein bisschen Thomas Bernhard. Das war’s dann auch schon. Dafür brauchte er keine Zeitungen“.

Diese Verweigerungshaltung eröffnet der Ermittlerfigur allerdings auch neue Möglichkeiten und Perspektiven. Aus der Position des ewigen Underdog betrachtet Plotek gelassen sein Heimatdorf auf der Schwäbischen Alb: „Je länger Plotek auf den veralteten Schienen der Bahn dahinratterte, umso mehr Menschen stiegen aus, und umso weniger ein. Komisch, da will offenbar niemand hin, dachte Plotek. Das war früher schon so gewesen“. So ungewöhnlich die Ermittler sind, so ungewöhnlich häufen sich auch die Toten auf der Alb. Ploteks Vater, eine ermordete Magd, zwei zerstückelte Leichen im Dorfteich und eine tote Prostituierte: Alles scheint sich gegen den Ermittler verschworen zu haben. Dieser lässt sich nicht irritieren, sammelt wichtige und unnütze Informationen und fügt sie zu einem Bild zusammen. Dabei ist es für den Leser vor allem interessant, wie sich die Geschichte trotz der nahezu lethargischen Hauptfigur entwickelt: „Für Taten war Plotek aber doch ein wenig zu betrunken. Was ihm nicht unrecht war. Plotek war kein Tatmensch. Kein Antreiber. Kein Macher. Plotek war selten aktiv. Plotek war ein Aussitzer, ein Stubenhocker, ein In-den-Weißbierschaum-Hineinstarrer. Meist passiv. Lethargisch, melancholisch. Und manchmal: auch gar nicht.“

Aktiv ist Plotek eigentlich nur, wenn er „seiner“ Musik nahe ist. Sie ist ihm Entspannung und Gegenpol zu persönlichen als auch zu Ermittlungsproblemen: „Mir doch egal, dachte Plotek, und dann an seine Heroes-Langspielplatte. Schon war die Musik wieder in seinem Kopf. Die Melodie. Der Text“. Und dabei ist Bowies „Heroes“ sicherlich die skurrilste Kontradiktion in diesem unterhaltsamen, lustigen, wortgewandten und durch charmante Charaktere überzeugenden Kriminalroman der etwas anderen Art.

Titelbild

Sobo Swobodnik: Kuhdoo. Ploteks fünfter Fall ; Kriminalroman.
Heyne Verlag, München 2010.
413 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783453407114

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