Einer großen Erzählerin zu Ehren

Christel Aretz und Peter Kämmereit haben eine Dokumentation zum 150. Geburtstag Clara Viebigs herausgegeben

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Sommer 2010 verstrich die Gelegenheit, Clara Viebig anlässlich ihres 150. Geburtstages entsprechend ihrem Rang als SchriftstellerIn zu würdigen, weitgehend ungenutzt. Er wäre am 17. Juli des Jahres zu begehen gewesen. Das geringe Interesse des Feuilletons dürfte einer gewissen üblen Nachrede anzulasten sein, die sie als schlichte Heimatschriftstellerin abtut. Und für die ist sich nicht nur die Germanistik auch heute noch zu fein. Dabei wird Viebig durchaus zu Unrecht als bloße Autorin dieses tatsächlich schlichten Genres reduziert.

Zu den Wenigen, die das Jubiläum nicht stillschweigend übergingen, zählt erwartungsgemäß die Clara-Viebig-Gesellschaft, die eine Dokumentation zu Leben und Werk der vielfältigen Schriftstellerin auf den Weg brachte. Christel Aretz und Peter Kämmereit haben sie herausgegeben. Der Band enthält Beiträge von LiteraturwissenschaftlerInnen und Mitgliedern der Clara-Viebig-Gesellschaft sowie zahlreiche Grußworte lokaler Größen der Eifel, der Geburtsregion Viebigs, die den größten Teil ihres Lebens jedoch in der Reichshauptstadt Berlin verbrachte.

Einige der AutorInnen unternehmen es erfolgreich, den Blick auf die bislang immer noch als bloße Heimatdichterin verkannte Autorin zu klären. Insbesondere gilt dies für den an der Universität zu Köln lehrenden Literaturwissenschaftler Volker Neuhaus mit seinem „Plädoyer für eine große Erzählerin“, in dem er etwa hervorhebt, dass Viebig „völlig fern von den Irritationen und bewussten Enge der ‚Heimatkunst‘-Bewegung“ eine der „wichtigsten späten Vertreterinnen“ des Berlin-Romans war und zudem „eine der Ersten“, die weibliche Sexualität einschließlich des Rechts auf Mutterschaft auch außerhalb der Ehe in ihren Romanen gestaltet. Vielleicht trägt seine berechtigte Huldigung ja tatsächlich dazu bei, diese „wunderbare Autorin“ endlich „aus dem Dunstkreis der Heimatschriftstellerin herauszuheben und im allgemeinen Bewusstsein wieder zu dem zu machen, was sie ist“: eine „große deutsche Erzählerin“, die etliche „spannende Gesellschaftsromane“ verfasste.

Selbstverständlich sind nicht alle Beiträge gleich stark, auch die von WissenschaftlerInnen verfassten nicht. Die Gründe, dieses Buch wärmstens zu empfehlen, liegen allerdings auch weniger in der Qualität der Originalbeiträge, sondern in den hier teils erstmals veröffentlichten Texten von Viebig selbst und ihren Nachkommen. Zu nennen wären etwa Viebigs Manuskript der Erzählung „Die Mutter“ oder ihre autobiografischen Texte „Wie ich Schriftstellerin wurde“ und „Ein langes Leben und doch zu kurz“ sowie Auszüge aus den Memoiren ihres Sohnes, des Komponisten Ernst Viebig, und dem ebenfalls autobiografischen Text „Emigranten“ ihrer nach Lateinamerika ausgewanderten Enkelin Susanne Biel. Hinzu kommen die zahlreichen, oft weithin unbekannten Fotografien von Viebig und den Ihren sowie die teils hochinteressanten Abbildungen ihrer Buchumschläge. So lässt sich hier etwa sehen, wie Max Liebermanns Illustrationsentwurf für Viebigs seinerzeit als Skandal empfundenes Buch „Das Weiberdorf“, der eine Gruppe um einen Mann ringende Frauen zeigt, von denen eine barbusig war, zwar nicht tüchtig, aber doch züchtig retuschiert wurde.

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Christel Aretz / Peter Kämmereit (Hg.): Clara Viebig. Ein langes Leben für die Literatur, Dokumentation zum 150.Geburtstag.
Rhein-Mosel-Verlag, Zell, Mosel 2010.
183 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-13: 9783898013314

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