Grässliche Reise wünsche ich

Heinz Strunks Reisebericht „In Afrika“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Heinz Strunk ist ein erfolgreicher Autor mit einem schrägen Humor. Oder aufgrund seines schrägen Humors. Seine autobiografisch eingefärbten Ausführungen setzt er nach „Fleckenteufel“ mit einem Reisebericht aus der Gegenwart fort. Dabei ist es keine exklusive, abenteuerliche oder besonders spektakuläre Reise, deren Beschreibung den Leser erwartet, sondern eher ein Pauschalreisenausflug. Strunk fliegt mit einem Freund zusammen, man hat Afrika mit Cluburlaub gebucht. Treffsicher formuliert der Autor die Vision von den perfekten Ferien: „Das größte Abenteuer des Lebens ist die Abwesenheit von Abenteuer.“ Die Ursachen für eine solche Definition sind vielfältig: „Gerade in Zeiten seelischer Schieflagen bedeutet ja jede Veränderung auch eine Überforderung; schon ein Ausflug in den Vogelpark Walsrode oder ähnliche Schmalspurunternehmungen verlangen mir dann das Äußerste ab.“ Trotzdem geht es pauschal in einen Club. Entspannung und ein bisschen Daddeln. Eigentlich ein überschaubarer Erlebnishorizont, der sich allerdings zur Katastrophe wandelt und gleich mit dem Verlust des Koffers am Ankunftsflughafen beginnt.

Den Urlaubsalltag, der im Bereich der Unterhaltung nur durch Casino-Besuche aufgelockert wird, prägt vor allem ein gewisser Grad an Eintönigkeit. Eine Sprite an der Poolbar, Essen am Bufett – alles wie immer. Dabei sind es vor allem die Beschreibungen dieses Urlaubsalltags, auf die der etwas schräge Blick des Protagonisten fällt und die damit zur kurzweiligen und unterhaltenden Lektüre werden. Seine Miturlauber beargwöhnt der Erzähler kritisch: „Mit Leuten, die keinen Alkohol trinken, stimmt etwas Grundsätzliches nicht.“ Dem Leser begegnen in den Figuren Strunks Menschen, denen man selbst auch schon einmal im Urlaub begegnet ist. Ironisch-zynisch werden alle Alltagsaktivitäten kommentiert: „Und nun? Ganz allein ins Casino? Hab ich noch nie gemacht. Naja, warum nicht, Leben als Experiment, Leben als Abenteuer.“ Und wenn die Reise zwischenzeitlich als autistisches Unternehmen erscheint, wird dies von dem Statement zur Kommunikationssituation nur unterstützt: „Auf höchstem Niveau wenig oder nichts zu sagen, das zeichnet das gute Gespräch aus.“

Der Ich-Erzähler leidet dann letztendlich auch an der ganzen Reise, möchte eigentlich einen erlebnislosen Urlaub verbringen und beschreibt letztendlich genau das Gegenteil. Aber trotz artikulierter Überforderung, wird diese denn doch wieder negiert, wenn der Klassiker „Apocalypse Now“ als Stichwortgeber zitiert wird: „Ich bin Captain Willard in Apocalypse Now, der, zu endlosem Warten in einem winzigen Hotelzimmer verdammt, nur noch zu einem einzigen Gedanken fähig ist: ‚Jede Minute, die ich in diesem Zimmer verbringe, macht mich kraftloser. Jede Minute, die Charlie im Busch kauert, macht ihn stärker.‘“ Dass es dann doch ein wenig anders kommt als geplant, wird dem Autor irgendwann deutlich bewusst: „Plötzlich erfüllt ein langgezogener, ohrenbetäubender Schrei die Nacht, gefolgt von einer MP-Salve und schrillen, abgehackten, metallischen Geräuschen. Unfassbar. Das passiert gerade wirklich. Mir wird die absurde Gefährlichkeit unserer Lage bewusst.“

In diesem filigranen Netz der Befindlichkeiten und des Schwankens zwischen ironisierend-absurdem Humor und negativ-depressiver Weltsicht zaubert Strunk die Absurditäten einer verzerrten Wirklichkeit ans Licht, die von den meisten Mitmenschen mit Normalität verwechselt wird. Wer einen Blick in das Wortlabor dieses Weltwissenschaftlers der Sprache werfen möchte, der sollte sich dieses Afrika-Buch nicht entgehen lassen. Gut abgeliefert!

Titelbild

Heinz Strunk: Heinz Strunk in Afrika.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2011.
268 Seiten, 13,95 EUR.
ISBN-13: 9783862520022

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