Kunstdiebstahl

Robert B. Parker wagt sich in seinem Krimi „Trügerisches Bild“ an die Spätfolgen des Holocausts

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im politischen Leben gibt es Bereiche, in denen sich die Populärkultur nur ungern bewegt, vor allem deshalb, weil man es dem politischen Mainstream eigentlich nie recht machen kann. Politisch korrekt zu sein, heißt dann eben auch, bestimmte Themen, im Krimi auch bestimmte Täter, besser außen vor zu lassen.

Die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas durch die Nationalsozialisten ist eines dieser Themen, und es ist auch für einen hard boiled-Autor wie Parker, der vor beinahe nichts größeren Respekt hatte, immer noch ein Wagnis, dieses Thema anzupacken. Nun ist „Trügerisches Bild“ Parkers letzter Roman, den er noch vor seinem Tod abgeschlossen hat. Und vielleicht traut man sich mehr, wenn man bereits knapp 40 Texte im selben Format hinter sich gebracht hat und nun nach dem nächsten Thema sucht, das man nach eigenem Gusto wenden kann.

Interessant also, wie sich Parker in die Bredouille reitet und wie er sich daraus wieder befreit. Denn hartgesotten hin und her, sich nachsagen lassen zu müssen, dass man ein Antisemit sei, wäre ziemlich uncool. Das würde Parker weder gern auf sich noch auf seiner Hauptfigur Spenser sitzen lassen.

Der coole und unbeeindruckte Privatermittler Spenser wird von einem Kunsthistoriker gebeten, ihn bei einer Geldübergabe zu begleiten und ihn vor möglichen Attentaten aufs Leben zu schützen. Spenser nimmt den Job an, gibt das Geld aber wieder zurück, als sein Schützling bei der Aktion ums Leben kommt.

Zwar hat sich Spenser nichts vorzuwerfen, denn das Ganze lief – auch nach den Wünschen seines Klienten – so ab, dass er keine Chance einzugreifen hatte. Aber Spenser ist nicht der Mann, der das auf sich beruhen lassen würde.

Und deshalb übernimmt er die Ermittlungen auf eigene Kappe – was wieder einmal die Frage danach provoziert, wovon dieser Herr eigentlich lebt. Von den Erträgen aus seiner Ermittlerarbeit jedenfalls nicht. Aber vielleicht stören solche Fragen ja auch nur die Idylle der hard boiled-Krimis, in der der eigengesteuerte Held immer das tut, was er tun muss, und darunter geht nun mal gar nichts.

Spenser tut nun genau das, was er immer macht. Er sucht die Leute auf, die irgendwie in irgendeinem Verhältnis zu dem Opfer stehen. Er schaut ihnen – soweit sie weiblich sind – auf den Hintern und auf die Beine, stellt ein paar Fragen, die nicht beantwortet werden, und entdeckt trotzdem eine Reihe von Verbindungen zwischen Leuten, die jedenfalls so nicht in Verbindung zueinander stehen sollten.

Er findet einfach Dinge heraus, weil er hartnäckig fragt und Informationen sammelt, die er miteinander verbindet. Und am Ende steht dann so etwas wie eine Auflösung, die – soweit sie nicht mit Beweisen versehen werden kann – durch einen Showdown herbeigeführt werden muss.

Das ist auch in diesem Band der Fall – denn Spenser konstruiert zwar nach und nach einen Fall, in dem das Opfer nicht nur kein Opfer ist, sondern ein Mittäter, und in dem diejenigen, die angeblich einer gerechten Sache dienen (hier die Rückführung von Kunstgegenständen, die von den „Nazis“ ihren jüdischen Opfern geraubt worden sind), am Ende doch vor allem ihren eigenen Interessen, soll heißen der eigenen Geldgier verpflichtet sind.

Dahinter mag man versteckte Kritik an der politischen Instrumentarisierung des Holocausts sehen. Man kann jedoch auch so etwas wie die generelle Verführbarkeit durch das Geld als Motiv hinter der Konstruktion vermuten. Parkers Spenser holt sich jedenfalls seine Absolution bei seiner geliebten Susan, die jüdischer Abstammung ist und ihm attestiert, keinesfalls ein Antisemit und überhaupt ganz schön cool zu sein.

Wenigstens Letzteres gehört nun mal zu den Basisausstattungen dieses Spensers, der einerseits immer wieder Leute abknallt und das zu einer Art Markenzeichen seiner Tätigkeit macht: In der Bedrohung die Polizei zu rufen, ist schlecht für das Geschäft. Also erschießt er die beiden Attentäter, die ihm eine Falle stellen wollen.

Allerdings ist Spenser auf der anderen Seite eine seiner Susan absolut treue Seele (die Landschaft anzuschauen, heißt nicht, untreu werden, kommentiert er seine Blicke gelegentlich), die außerdem einigermaßen gut kochen kann, neben dem vielen guten Sex, den er mit ihr haben darf.

So manövriert Parker seine Figur und eben damit auch sich selbst durch die zahlreichen Fettnäpfe, die er sich mit seinem Fall aufgestellt hat, um dann am Ende den Bösewicht ganz klassisch zu fangen und zur Rechenschaft zu ziehen (allerdings übernimmt das in diesem Fall die in mehrfacher Hinsicht hintergangene Ex-Geliebte).

Der Band ist so gesehen ein fast klassisches Exempel eines Parker-Krimis, deren Lektüre immer erheiternd und lässig ist. Und sowas zum Abschluss? Auch dafür gebührt Parker, der im letzten Jahr verstorben ist, zum Nachruf jeder Dank.

Titelbild

Robert B. Parker: Trügerisches Bild. Ein Auftrag für Spenser.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Frank Böhmert.
Pendragon Verlag, Bielefeld 2011.
212 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783865322531

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