Dummer cum laude

Ein öder Roman über die deutsche Universität

Von Jan WesterhoffRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan Westerhoff

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit Dietrich Schwanitz vor fünf Jahren mit seinem Roman "Der Campus" hervorgetreten ist, scheint jenes Genre, das man im angelsächsischen Sprachraum als campus novel bezeichnet, auch in Deutschland beliebter zu werden. Der Universitätsalltag bietet ja auch, so sollte man meinen, genug Stoff für mehr als einen Roman. In wenigen anderen Institutionen treffen intellektuelle Eitelkeiten und akademische Intrigen, persönlichen Abhängigkeiten und lang etablierte Seilschaften, kritischer Diskurs und naive Geltungssucht, systemkritisch bewegte political correctness und kampferprobter Konservativismus so unmittelbar aufeinander wie in der deutschen Universität. In dieser Gemenge-Lage siedelte denn auch Schwanitz seine nicht zu unrecht hymnisch besprochene Erzählung vom Fall des Universitätsprofessors Hanno Hackmann an; teils von bizarrer Komik, teils von menschlicher Tragik, immer jedoch von profunder Kenntnis des universitären Mikrokosmos und von sicherem erzählerischem Duktus geprägt.

Was geschieht, wenn sich Schriftsteller von geringerem erzählerischem Talent am selben Stoff versuchen, kann man nun an Heidi Rehns soeben erschienenem Roman "Das Institut" beobachten: ein Konstrukt von erschreckender Ödnis, gemischt mit Vorabendserienklischees ohne originelle schriftstellerische Einfälle. Kurz, ein Buch, das tut, was nach Marcel Reich-Ranicki kein gutes Buch tun darf (und, so möchte man hinzusetzen, auch kein schlechtes tun dürfte): es langweilt.

Worum geht es nun? Ines Miltenberg, soeben promovierte Kommunikationswissenschaftlerin mit soeben beendeter Dauerbeziehung zu einem aufstrebenden Kunstgeschichtler, bekommt eine Assistentenstelle am Lehrstuhl des renommierten Professor Gräber angeboten. Kaum kann sie ihr Glück über diesen jähen frauenfördernden Akt fassen, da wird ihr schon bewusst, dass Gräber gezielt Gerüchte ausstreut, er habe ein Verhältnis mit seiner "sportlichen, und trotz modisch kurzer Haare nicht zu jungenhaften" Assistentin. Der Grund: Gräber will auf diese Weise Gerüchte über seine Homosexualität zum Schweigen bringen, mit denen sein Kollege und ehemaliger Kommilitone Rieder ihn schon seit längerem drangsaliert. Warum dem C4-Professor der Ruf eines korrupten, akademischen womanizer lieber ist als der eines in einer festen Beziehung stehenden Homosexuellen, macht die Autorin nicht ganz klar. Auch wie Kollege Rieder seinem Kollegen durch die Veröffentlichung von Details aus dessen Privatleben beruflich schaden will, bleibt im Dunkeln.

Doch scheinen diese Webfehler in der Handlungsstruktur der Autorin nicht viel auszumachen. Sie hat ja noch so viel anderes zu erzählen. Hauptsächlich aus dem Privatleben von Protagonistin Ines, deren ganzes Tun und Trachten um das Thema "Männer" zu kreisen scheint. Kaum am "Institut" angekommen, beginnt sie sogleich eine Affäre mit einem von Gräbers Assistenten. Der Leser wird nun genötigt, die ermüdenden Details dieser Beziehung (inklusive der Einzelheiten der Männerbekanntschaften von Sophie, Ines' ähnlich strukturierter Freundin) auf den verbleibenden 208 Seiten zu verfolgen.

Die Autorin scheint die Ironie nicht zu bemerken, mir der sie einerseits ein Gegenstück zur Handlung des "Campus" entwirft (dort: Frauenbeauftragte bringt Ordinarius zu Fall, hier: unschuldige junge Frauen werden von charakterlosen Professoren ausgenutzt), andererseits aber noch das letzte machistische Klischee über Frauen in der Wissenschaft bedient. Obschon wir immer wieder an Ines' herausragende wissenschaftliche Leistung erinnert werden (wenn auch, bis auf vage Hinweise auf Fragen der "Globalisierung", unklar bleibt, worin sie genau besteht), scheint die wissenschaftliche Arbeit in ihrem Leben kaum einen Platz einzunehmen. Die wird ausgefüllt mit Prosecco in der Badewanne, Restaurantbesuchen mit dem neuen Freund und endlosen Telefongesprächen mit Freundin Sophie.

Die übrigen Figuren sind ähnlich wirklichkeitsfremd und holzschnittartig gezeichnet. Der intrigante Rieder und seine ungenießbare Sekretärin erscheinen ohne klare Motivation und sind mit ihrer Rolle als Bösewichte zu ausgelastet, als dass noch für anderes Platz bleiben könnte. Andere rezitieren Weisheiten, die aus der letzten GEW-Broschüre stammen könnten: "Dumm sind die wenigsten Schüler und Studenten. Ihnen fehlt nur die richtige pädagogische Anleitung, die sie dazu befähigt, Ihre Intelligenz effektiv zu nutzen."

Zur effektiven Nutzung der eigenen Intelligenz empfiehlt es sich, die Lektüre dieses Elaborats bei Kapitel 1 zu beenden.

Titelbild

Heidi Rehn: Das Institut.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2000.
268 Seiten, 7,60 EUR.
ISBN-10: 3499226723

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