Im Maßanzug durchs Haifischbecken

Herwig Silbers Roman „3 zu viel für diesen Job“ bringt Spannung in die Arbeitswelt-Literatur

Von Susanne HeimburgerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Susanne Heimburger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Drei Männer, eine Frau: Das kann nicht gut gehen. Vier Kandidaten kämpfen um einen Job – das sind natürlich erst recht drei zu viel. Und natürlich kann man sich vorstellen, dass es, wenn sich Topmanager um einen Topjob streiten, nicht gerade zimperlich zugeht. Dabei wissen die Kandidaten im vorliegenden Roman noch nicht einmal, wer der potenzielle Arbeitgeber ist, denn mit der Auswahl wurde der Personalberater Herzberg beauftragt. Der alte Fuchs ist bekannt für seine eigenwilligen Methoden, über die er schon ein ganzes Buch geschrieben hat. Als er von seinem Aufraggeber dann auch noch völlig freie Hand bekommt und ohne Rücksicht auf Kosten ein Auswahlseminar organisieren darf, legt er los.

In einer zweieinhalbtägigen Veranstaltung will er nun die Spreu vom Weizen trennen. Stets gut gelaunt wirft Herzberg die Kandidaten dann auch in die aberwitzigsten Situationen, mit Aufgaben, deren Sinn nicht immer einleuchtend ist. Konzentrationstests, Rollenspiele, geheimnisvolle Rätsel gehören dazu. Alles gepaart mit hinterhältigen Verunsicherungsstrategien. Und nicht einmal nachts haben sie ihre Ruhe, sondern werden aus dem Schlaf gerissen und zum Krisenmanagement gebeten. Das alles wirkt erst einmal reichlich übertrieben. Der Autor baut aber durchaus neueste Managementtrends ein, so zum Beispiel die sogenannte „Storytelling-Methode“ – da müssen sich Manager auch mal als Märchenerzähler versuchen. Und so wird man das unangenehme Gefühl nicht los, dass diese abstrusen Auswahlmethoden, von denen der Roman erzählt, von der Realität nicht allzu weit entfernt sind.

Ein Roman, der in der absurden modernen Arbeitswelt spielt – das ist nicht ganz neu. Seit Urs Widmer die „Top Dogs“ in seinem gleichnamigen Stück auf die Bühne geschickt hat, bevölkern Managerfiguren immer häufiger die deutsche Gegenwartsliteratur. Wir bekommen Gelegenheit, diese besondere Spezies Mensch in ihrem eigenen Biotop zu beobachten, unsere Vorurteile bestätigt zu sehen, uns vor ihrer Skrupellosigkeit zu grauen, oder ihre menschlichen Seiten kennenzulernen, sie zu bemitleiden und erleichtert darüber zu sein, nicht dazuzugehören. Das alles findet sich auch in „3 zu viel für diesen Job“, zumal der Roman beständig zwischen den verschiedenen Perspektiven der einzelnen Figuren kreist.

Neu an Silbers Roman ist allerdings die Form, denn sie will sich nicht so richtig beschreiben lassen: eine kleine Liebesgeschichte, ein paar Thrillerelemente, ein wenig Komödie, auch etwas Grusel ist dabei – aber vor allem Spannung. Zwar wirkt die Handlung bisweilen ziemlich konstruiert und unglaubwürdig, vor allem das Ende, das man so ähnlich auch in einem schlechten Heftchenroman finden könnte. Dennoch schafft es der Autor, den Leser 400 Seiten lang bei der Stange zu halten. Er verfolgt gespannt, wie die Kandidaten gegeneinander kämpfen, wie sie mit sich selbst kämpfen, und wie sie sich in den einzelnen Prüfungen bewähren. Er sieht amüsiert zu, wie sich der Kampf um den Job auf die Organisatoren des Seminars ausweitet, wie plötzlich Störfaktoren im Veranstaltungsplan auftreten, und wie alles allmählich aus dem Ruder gerät. Bald weiß niemand mehr, was inszeniert ist, was real und wer letztendlich die Fäden in der Hand hält. Und plötzlich, ohne dass man es merkt, hat sich die Handlung hochgeschaukelt zum Showdown in einem dunklen Kellergewölbe.

Lange Zeit hatte Literatur, die in der Arbeitswelt spielt, den Ruf, zwangsläufig etwas dröge zu sein. Meist denkt man da wohl an die Texte des „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ oder des „Bitterfelder Wegs“, die vor allem ein soziales Anliegen hatten, weniger auf Unterhaltung aus waren. Silber zeigt, dass man auch einen anderen Weg einschlagen kann.

Titelbild

Herwig Silber: 3 zu viel für diesen Job. Roman.
Dittrich Verlag, Berlin 2010.
407 Seiten, 22,80 EUR.
ISBN-13: 9783937717487

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