Berliner Biedermeier

Hans Helmich ist in seinem Krimi „Stadt der Spitzel“ doch arg betulich

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Journalisten neigen mit gutem Grund dazu, sich auch im Buchgewerbe zu versuchen, ja sogar Krimis zu schreiben. Immerhin sind sie das Schreiben gewohnt, und neben den oft schlecht bezahlten Brotjobs ist ein Projekt, das in einem Zug geschrieben werden kann und einmal über mehr als 10 oder 20 Seiten trägt, ja ganz hübsch.

Allerdings bedeutet das eben leider nicht, dass die Kollegen von der schreibenden Zunft generell die besseren Texte schreiben würden. Wie sehr die Fähigkeit, einigermaßen saubere Sachtexte oder Zeitungsartikel zu schreiben, eben nicht für den großen Text qualifiziert, sieht man an allzu vielen Beispielen. Und Hans Helmichs „Stadt der Spitzel“ ist eines davon.

Dass der Plot tauglich ist, kann man noch dahingestellt lassen. Eine Mordgeschichte im Besetzermilieu der Jahre um 1980, vermischt mit KGB-Geschichten und politisch aktiver protestantischer Gemeinde, die 30 Jahre später aufgedeckt werden soll, weil eine Leiche in einem ehemals besetzten Haus gefunden wird, ist einigermaßen gut vortragbar – auch wenn es eigentlich dafür keinen besseren Autor geben dürfte als Michael Wildenhain, dessen Roman „Die kalte Haut der Stadt“, der im Milieu spielt, leider mittlerweile fast völlig vergessen ist. Wenn ein Besetzerkrimi, dann von Wildenhain.

Aber eben nicht am plot, sondern an der Ausführung haperts bei Helmich. Dazu gehören die peinlichen Slapsticks, die er in seinen Text eingebaut hat. Es gibt etwa eine Szene in einem Brandenburger Bordell, die an Unbeholfenheit kaum zu überbieten ist. Die Verfolgungsszenen erinnern an miese Vorabendkrimis oder Privatdokus.

Auch die sprachlichen – oder sagen wir besser: tropologischen – Mängel sind kaum zu übersehen und reihen sich aneinander. Ein Roman, in dem Kuchen kauende Leute Pläne schmieden, gehört einfach nicht geschrieben und erst recht nicht publiziert. Schließlich die Besetzung des Krimis und die Ausstattung der Figuren, die zu wünschen übrig lassen: Der karrieregeile, dämliche, aber dafür überhebliche Chefredakteur eines Berliner Privat-TV-Senders, der sich anno dunnemal in der Besetzerszene getummelt hat, um Agenten für den KGB anzuwerben, ist eher eine Pappfigur als plausibel.

Der übergewichtige, ehemals investigative Journalist Martin Pollock, der sich um den plötzlichen Herztod, seine Erektionsfähigeit und sein Altern überhaupt sorgt, dabei extrem zickig und muffig zugleich daherkommt, mag ja als moderne Fassung des hard boiled-Helden angelegt sein. Realiter ist Pollock jedoch vor allem nur nervig, und den Journalistenehrgeiz nimmt man ihm nicht ab.

Seine Umgebung, Alexander, der Frauenheld, Michaela, die Kamerafrau, zu der sich zarte Bande andeuten, bis sich jemand Besseres findet, der Kollege Hoßdorf, der sich im Suff ergeht, und mal entlassen ist, dann aber noch die Brocken hinwirft, und der Polizeisprecher Janowski, der seinen ermittelnden Kollegen den Kopf wäscht, sind allesamt als Normalfiguren angelegt, und, was das angeht, auch einigermaßen gelungen. Die schönste Idee, die Helmich hatte, ist die Figur des Nachbarn, der zwar irgendwann als armer Ostler mit Leidensgeschichte verkauft wird, davor aber vor allem als seltsamer Schrat auftritt, der weltweite Bahnsteigansagen sammelt und allen seinen Nachbarn laut vorspielt. Das ist grandios.

Aber sonst? Helmich ist als Krimischreiber entweder zu unerfahren oder einfach zu unbeholfen. Zu bieder, zu unbeholfen, zu speckig – und damit leider eben auch ein typisches Produkt des deutschen Durchschnittskrimis, der eben auch irgendwie seine Leser finden mag. Da mag es in Deutschland immerhin so etwas wie Metropolen geben, in denen das Böse seine Urständ feiert, im Krimi findet sich das leider nur zu selten wieder.

Wer also meint, dass das Urbane per se das Kriminale hervorbringe, und zwar in seiner dynamischsten, brüchigsten, gewalttätigsten und auch mythischen Form, der muss sich von Helmich belehren lassen. Die Berliner Biederkeit schafft es auch in diesem Genre, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen, was am Ende auch nur darauf deutet, dass man es sich in jedem Verhältnis einigermaßen gemütlich machen kann. Jaja, die Besetzer damals, wirre Gestalten und den Anwerbeversuchen des KGB doch so ausgeliefert, jaja, die Medienleute, da macht auch nur einer Karriere, der an der richtigen Stelle zu buckeln weiß. Jaja, die Polizei, die will auch nur ihre Ruhe haben und den schnellen Erfolg. Gottseidank, da ist der investigative Journalist, der trotz wachsender Fettschürze immer noch nach der Wahrheit sucht. Was wären wir ohne ihn! Besser dran?

So etwas als aufklärerisches Produkt hinzustellen, etwa als medien- oder gar gesellschaftskritisch, ist allerdings ein Vorwurf, der an den Verlag geht, von dem man eben auch anderes kennt.

Titelbild

Hans Helmich: Stadt der Spitzel.
Pendragon Verlag, Bielefeld 2011.
328 Seiten, 12,95 EUR.
ISBN-13: 9783865322548

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