Wen Gott verrückt machen will, dem erfüllt er alle Wünsche

Über Paulo Coelhos Roman „Schutzengel“

Von Andreas HudelistRSS-Newsfeed neuer Artikel von Andreas Hudelist

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es fällt nicht leicht, angesichtes der verfeindeten Gruppierungen neutral zu bleiben, welche aus den Fans des (literarischen) Magiers Paulo Coelho und den Kritikern seiner einfachen und oberflächlichen Sprache bestehen. Der Mix aus Religion und spiritueller Welt lässt vielleicht auch jene Dualismen entstehen, an welchen sich die Leser stoßen. So schreibt Coelho in „Schutzengel“: „Das Universum ist von Engeln bevölkert. Sie sind es, die uns Hoffnung bringen, wie derjenige, der den Hirten die Geburt des Messias verkündet hat. Sie bringen auch den Tod, wie jener Würgeengel, der durch Ägypten zog und alle vernichtete, die kein Zeichen an ihrer Tür hatten. Sie sind es, die uns mit einem Feuerschwert in der Hand den Zutritt zum Paradies verwehren können. Oder uns hereinbitten können, wie ein Engel es mit Maria getan hat.“ Wer sich also nicht mit den Paradigmen der verschiedenen religiösen Vorstellungen anfreunden kann, wird auch Coelho nicht besonders interessiert lesen können. Coelhos Text befasst sich mit dem religiösen Bruch, mit dem Menschen und seinem Zerwürfnis.

Coelhos Buch „Schutzengel“ führt uns an den Beginn seiner Schreibkarriere. Der Text wurde nach der Veröffentlichung von „Der Alchimist“ geschrieben und steht somit der Thematik seiner frühen Texte sehr nahe. Für unaufmerksame Leser fasst Coelho die Geschichte noch einmal zusammen: „Ein Mann und eine Frau waren in der Wüste unterwegs. Mal hielten sie in größeren Städten, dann wieder in kleinen Orten, in denen es nur ein Motel, ein Restaurant und eine Tankstelle gab. Sie sprachen mit niemandem – und gegen Abend gingen sie immer zwischen den Felsformationen spazieren, setzten sich in den Sand, in die Richtungen gewandt, in der der erste Stern aufgehen würde. Sie redeten mit ihren Engeln. Sie hörten Stimmen, gaben einander Ratschläge, erinnerten sich an Dinge, von denen sie angenommen hatten, dass sie endgültig an irgendeinem Ort in der Vergangenheit verlorengegangen waren.“

Nun, dass das Pärchen – Paulo und Chris – mit niemanden außer den Engeln spricht, ist nicht richtig. Denn das Ziel, den eigenen Engel zu sehen, setzt einen langen Weg voraus, auf dem viele Personen ihren Einfluss geltend machen (wollen). Coelhos Buch beschäftigt sich, und dies ist keine Überraschung, mit der Suche nach sich selbst. Dabei ist erstaunlich, dass die deutsche Fassung von „As Valkírias“ (1992) erst jetzt erschienen ist. „Schutzengel“ führt die Geschichte aus „Auf dem Jakobsweg“ weiter und erzählt die Geschehnisse von Paulo, als er in der Mojave-Wüste geistliche Übungen des heiligen Ignatius von Loyola anwendet. Dabei spricht sich Paulo als Protagonist des Buches explizit gegen das Esoterische aus, wenn er über seine Begleitung Chris nachdenkt: „Er wusste, dass sie Angst hatte, etwas Dummes zu sagen, irgendeine esoterische Bedeutung erfinden würde, wie das viele Menschen taten, die mit der ‚Tradition‘ nicht vertraut waren.“ Ob nun der Autor Esoterik mit Dummheit gleichstellt, sei dahingestellt. Zum Ausdruck kommt jedoch der Unmut gegenüber esoterischer Sinnfindung. Wie der Autor selbst dazu steht, kann hier nicht geklärt werden – jedoch wird auch dieses Buch die Spaltung der Fans und der Kritiker, die sich darüber streiten, ob man dem Autor ein Aufwärmen esoterischer Themen nachsagen könne.

Was jedoch als störend empfunden werden kann, ist die abermalige Vorbereitung auf den Kampf. Denn wofür konkret gekämpft werden muss, obliegt der Imagination des Lesenden. Nur selten werden Untergangszenarien wie im Eingangszitat beschrieben. Im Diesseits muss man sich dafür wappnen und sich in verschiedenen Übungen prüfen. Der Coelho’sche Mensch ist demnach nie genügsam, sondern immer auf der Suche nach mehr. Was dieses „mehr“ ausmacht, scheint man zum Teil selbst bestimmen zu können. Und doch wird man aber auch gelenkt. „Wir werden wachsen“, schreibt Coelho, jedoch darf man sich fragen: wohin und wofür?

Titelbild

Paulo Coelho: Schutzengel. Roman.
Aus dem Brasilianischen von Maralde Meyer-Minnemann.
Diogenes Verlag, Zürich 2011.
200 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783257067675

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