Als es Silvester richtig knallte

Tino Hanekamps Roman „So was von da“

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vorsicht – hier ist nichts normal. Ein völlig unkonventioneller Roman aus der Feder eines leicht ausgeflippten literarischen Debütanten handelt von einem ungewöhnlichen Silvestertag. „Oskar Wrobel betreibt einen Musikclub in einem alten Krankenhaus am Ende der Reeperbahn. Seine Freunde sind seltsam, aber großartig. Die Mädchen mögen ihn. Sein Leben ist ein Fest.“ So beginnt der erzählerische Erstling aus der Feder des 31-jährigen Tino Hanekamp, der einst – wie seine Hauptfigur Oskar – aus dem Mansfelder Land in Sachsen-Anhalt nach Hamburg aufgebrochen war und dort den bekannten Musikclub „Weltbühne“ betrieben hatte. Mittlerweile leitet Hanekamp das „Uebel und Gefährlich“ im Karolinenviertel – eine der Top-Klubadressen an der Alster.

Der Roman handelt vom Silvestertag eines unbestimmten Jahres, der zugleich der letzte Tag des von Oskar Wrobel mitbetriebenen Rockklubs in Hamburg ist. Die Abrissbagger stehen schon bereit. Eine Melange aus Wehmut und Trotz prägt die Atmosphäre zum Abschied.

Hanekamps Figuren sind alle ein wenig durch den Wind. Es sind Aufschneider, kleine Betrüger und selbstverliebte Tagträumer, die diese pittoreske Subkultur bevölkern. Mit geradezu folkloristischem Charme breitet Hanekamp sein Figurenensemble um den Baudelaire- und Tequila-Liebhaber Oskar Wrobel aus. Da ist Kiezkalle, der 10.000 Euro fordert und mit handfester Gewalt droht, daneben tummeln sich Rocky, Pablo und Erbse, gescheiterte oder noch unentdeckte Künstler, passionierte Trinker und Taugenichtse und die geheimnisvolle Mathilda, eine Art Chaos-Muse des Protagonisten Oskar.

Dieser schwungvoll und mit einem schnörkellosen Drive erzählte Roman beschreibt den schmerzhaften Selbstfindungsprozess der jungen Generation, die ein turbulentes Wellental mit kurzen Glücksmomenten und ganz herben Enttäuschungen durchlebt.

Es geht hier weniger um Läuterung oder um stringente Entwicklungslinien, bei Hanekamp steht das Hier und Jetzt, die Stimmung, die spontane Eruption der Gefühle im Fokus. Eine letzte große Party soll es geben, ein furioses Finale, den ultimativen Abgesang auf eine Kultstätte. Und wie fühlt sich so etwas an? „Ich befürchte, ich bin wach. Blicke auf eine Bierflasche, in der zwei Kippen schwimmen und ein Käfer. Brutalkopfschmerz. Auf dem Heizungsrohr ein Pelz aus Staub. Extrembrechreiz. Draußen knallt’s. Schließe die Augen. Es knallt noch mal.“

Das ist fraglos kein ästhetisches Fünf-Sterne-Menü, das uns Hanekamp hier serviert, eher so etwas wie schneidige Zeitgeistliteratur. Den Nerv der jungen Generation hat er aber punktgenau getroffen – zwischen berstenden Lautsprecherboxen und klirrenden Gläsern, zwischen Alkohol und Ecstasy.

Titelbild

Tino Hanekamp: So was von da. Roman.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011.
285 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-13: 9783462042887

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