Peanuts, Chips und Dolly Dollars

Birger P. Priddats reich bebilderter Nachruf auf die Welt der kleinen Gelder

Von Oliver PfohlmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver Pfohlmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kürzlich war Unglaubliches zu lesen: Die Bundesbank plant aus Kostengründen, 1- und 2-Cent-Stücke aus dem Verkehr zu ziehen. Sollen die Verbraucher etwa um ihr Wechselgeld betrogen werden? Doch würde in Deutschland damit nur nachvollzogen werden, was in anderen Ländern längst üblich ist. In Finnland etwa werden 1-Cent-Stücke nur noch für Sammler geprägt. Während ein deutscher Käufer erwartet, sein Wechselgeld auf den Cent genau zurückzubekommen, empfindet man in anderen Ländern die kleinen Münzen nur als Metallballast – und rundet auf. Zu Recht, findet Birger P. Priddat: Was einem Deutschen wie Verschwendung erscheint, findet der Ökonom und Philosoph erstaunlich „transaktionskostenbewusst“, werden so doch die Wartezeiten in der Schlange am Supermarkt erheblich kürzer. Was man an Kleingeld verliert, gewinnt man an Lebenszeit.

Sein Buch „Kleingeld“ scheint somit zunächst ein Nachruf zu sein. Doch dieser Eindruck täuscht. Gibt es doch neben dem regulären staatlichen Geld auch heute viele andere „kleine Gelder“, die viele Zwecke haben können. Man denke nur an Flaschenbons, Gutscheine, Essensmarken oder Regiogelder wie den „Chiemgauer“. Birger P. Priddats Buch, launig und erhellend geschrieben und dazu noch reich bebildert, dokumentiert den Erfindungsreichtum der Geldgeschichte im Kleinen in einer Zeit, in der das Kleingeld vom e-money abgeschafft zu werden droht. Die Erdnüsse auf dem Cover sind dabei ein ironischer Fingerzeig: Von „Peanuts“ sprach vor Jahren ein deutscher Banker, um damit einige Milliönchen Euro Verlust als läppisch zu bezeichnen. Eine Finanzkrise später weiß jeder, wie recht er damit hatte.

Die Welt des Kleingeldes befindet sich diesseits der virtuellen Fantastilliarden. Sie wird schon beim Gang in den Supermarkt betreten, wenn man verzweifelt nach einer Münze für den Einkaufswagen sucht. Wer clever ist, hat dazu stets einen passenden Chip im Portemonnaie – „Funktionsgeld“, das in allen anderen Transaktionen wertlos ist. „Notgeld“ kommt dagegen überall dort in Gebrauch, wo es an regulärem Geld mangelt, wie nach Kriegszeiten, in denen alle Münzen ihres Metallgehaltes wegen eingeschmolzen worden sind. Zigaretten oder Briefmarken sind meist erste Wahl, aber oft entsteht auch neues Papiergeld, primitiv bedruckte Scheine von Kommunen, die eigentlich illegal sind, da nur der Staat und seine Zentralbank Geld herstellen darf. „Die Menschen machen sich ihr Geld, so sie es brauchen“, so Priddat. „Man muss nur wollen und andere davon überzeugen, dass sie es akzeptieren.“

Spieler im Kasino zum Beispiel müssen ihr Geld erst in billig wirkende Plastikchips umtauschen. Der Grund ist klar: Wer nicht mit „echtem“ Geld spielt, neigt dazu, mehr zu setzen. Ein 500 Euro-Jeton verwandelt Großgeld in Kleingeld. Ein weiterer Grund ist weniger offensichtlich: Die Jetons sind ein Kontrollinstrument. Mit ihm verhindern die Betreiber, dass ihre Croupiers sie betrügen können. „Normales“ Geld könnten diese einfach einstecken; Jetons müssen sie dagegen in der Hausbank umtauschen.

Wie Priddat zeigen kann, findet man selbstfabrizierte „kleine Gelder“ als Kontrollinstrument nicht nur in Kasinos, sondern ebenso am Karussellstand. Oder auf der Hamburger Reeperbahn, wo mann sich mit „Dolly Dollars“ munitionieren muss, möchte man die Aufmerksamkeit der Stripperinnen. Hier kommt allerdings ein weiterer, eher delikater Vorteil hinzu: Ein Dolly Dollar-Schein ist nämlich, im buchstäblichen Sinn, sauberes Geld.

Titelbild

Birger P. Priddat: Kleingeld. Die verborgene Seite des Geldes.
Kulturverlag Kadmos, Berlin 2010.
256 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783931659400

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