Zwischen Hitchcock und Pagnol

Friedrich Ebding möchte in seinem Krimi „Bon Réveil – Für immer Provence“ das Grauen in die Idylle bringen

Von Susanne HeimburgerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Susanne Heimburger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Leises Zirpen der Zikaden, der Duft von Thymian, Rosmarin und Lavendel, flirrende Hitze: Das ist die Provence, wie sie unseren Vorstellungen entspricht und wohl am schönsten von dem französischen Schriftsteller Marcel Pagnol beschrieben wurde. Wer dessen berühmte Kindheitserinnerungen und Romane liest, kann die Provence regelrecht hören, schmecken und riechen. Der in Frankreich äußerst beliebte Autor führt den Leser mit seinen Landschaftsbeschreibungen in einen literarischen Urlaub, in eine Gegend des Lichts und der Wärme, in die man sich gerade an verregneten Tagen im Wohnzimmersessel sitzend gerne versenkt. Und in eben diese idyllische Landschaft versetzt auch Friedrich Ebding seinen Kriminalroman „Bon Réveil – Für immer Provence“, dessen Titel man als eine Liebeserklärung an dieses wunderschöne Fleckchen Südfrankreich verstehen könnte. Tatsächlich spielt Ebding auch unverblümt immer wieder auf Pagnol an. Doch ein Krimi wäre kein Krimi, würde an der nächsten Ecke nicht das Grauen lauern.

Zunächst fängt alles noch ganz harmlos an: Das junge Ehepaar, Marcel und Françoise Monnier, gönnt sich ein Jahr Auszeit vom Trott des Alltags. Die beiden haben im Lotto gewonnen, ihre Wohnung in Straßburg untervermietet und sind nun in der Provence unterwegs, um auf den Spuren der Kelten zu reisen und zu forschen. Und so starten sie in ihr Abenteuer. Alles scheint perfekt: Sie sind verliebt, ohnehin stets gut gelaunt, der Himmel ist blau, sie spüren die Freiheit. Dass sie nur knapp einem Autounfall auf der Autobahn entgehen, trübt ihren Enthusiasmus nur sehr kurzfristig (auch wenn der Leser schon ahnt, dass die Szene noch eine wichtige Rolle spielen wird). Auf der Suche nach einer Unterkunft werden sie schließlich auf mysteriösen Umwegen an das idyllische, aber äußerst abgelegene Berghotel „Bon Réveil“ verwiesen, in dem es etwas eigenartig zugeht. Nur alte Leute scheinen hier zu wohnen, es werden widerliche Liköre ausgeschenkt, und ein Hund bewacht das Anwesen und zieht eine unsichtbare Grenze um das Hotel, die die Bewohner nicht überschreiten dürfen. Dann werden die beiden allmählich krank, altern selbst zusehends, und allmählich werden aus den Gästen Gefangene.

Zunächst hat man das Gefühl, in einem Krimi à la Boileau/Narcejac zu sein, der das Geschehen nicht aus dem Blickwinkel eines außen stehenden Ermittlers, sondern des Opfers erzählt, des Getriebenen also, der das Rätsel lösen muss, weil er selbst zu sehr darin verwickelt ist. Der Leser dieser Krimis fürchtet und ängstigt sich, weil er sich in die Figuren hineinversetzt und mit ihnen das Grauen erlebt. Alfred Hitchcocks Film „Vertigo“ zum Beispiel basiert auf der literarischen Vorlage dieses Autorengespanns. Das Schema wird bei Ebding aber schnell verlassen oder zumindest stark aufgeweicht, denn die Opferperspektive wird nicht durchgehalten. Und während die Protagonisten noch gehörig auf dem Schlauch stehen, hat der Leser schon längst einige Zusammenhänge erkannt oder erahnt. Den Rest erledigt dann ein Kommissarenteam, das im letzten Viertel des Buches plötzlich ins Spiel kommt und den Fall souverän löst.

Nun lebt ein Kriminalroman, von welchem Blickwinkel aus er die Geschichte auch erzählt, ja gerade von dem geschickten Spiel des Informationenlieferns und -verweigerns. Das hätte man hier sicher noch etwas besser anstellen können, denn zu schnell weiß der Leser zu viel oder kann sich zumindest einiges zusammenreimen. Da gibt es auch kein leises Hineingleiten der Protagonisten in das Unheil, sondern die beiden rumpeln geradezu in ihr Unglück hinein. Lange Zeit verkennen sie die Situation, machen ihre Späße, wo es keinen Spaß mehr gibt, und dann werden sie plötzlich doch äußerst melodramatisch. Der Spannung helfen da auch keine altbekannten „Special Effects“ aus der schon etwas staubigen Gruselkiste – wie etwa das Gesicht an der Fensterscheibe, das beim Aufleuchten eines Blitzes in der Nacht auftaucht, beim zweiten dann plötzlich verschwunden ist (vor allem, wenn es sich nur um die Zimmerwirtin handelt). Und dass Albträume in solchen Romanen dazu tendieren, Wirklichkeit zu werden, ist auch längst bekannt.

Überhaupt ist der Autor sehr bemüht, besonders anschaulich, blumig und bildhaft zu erzählen. Meistens schießt er da deutlich übers Ziel hinaus, denn vieles klingt etwas hölzern und sprachlich aufgedunsen. Sätze wie „Unbarmherzig und unüberhörbar schnitt das Perpendikel der Wanduhr im Zimmer nebenan die Zeit in dünne, unwiederbringlich verlorene Scheiben des Lebens“ wirken in einem Roman, der sich über weite Strecken luftig und witzig geben möchte, einfach etwas übertrieben.

Fazit: Aus dem Plot hätte man sicherlich einen spannenden, soliden Krimi bauen können. Die Grundidee ist nicht schlecht, in der Umsetzung wirkt das Ganze aber etwas unausgegoren, unstimmig und vor allem sprachlich zu bemüht.

Titelbild

Friedrich Ebding: Bon Réveil - Für immer Provence. Kriminalroman.
Leda Verlag, Leer 2011.
312 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783939689768

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