„Die Republik verbannt mich, die Gegenrevolution hängt mich“

Sabine Appel entwirft in ihrem Buch „Madame de Staël. Kaiserin des Geistes“ ein tiefgreifendes Porträt einer unkonventionellen Frau

Von Imke TeerlingRSS-Newsfeed neuer Artikel von Imke Teerling

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Anne Louise Germaine de Staël prägte wie kaum eine andere das Geistesleben ihrer Zeit. Von großen Denkern wie August Wilhelm Schlegel bewundert, vom großen Staatsmann Napoleon Bonaparte gefürchtet und verbannt, führte sie ein außergewöhnliches Leben in einer Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs.

Sabine Appel beleuchtet in ihrer Biografie über Madame de Staël ausführlich ihre wichtigsten Lebensstationen, und nimmt dabei detailliert Bezug auf den historischen Kontext. Mit einer durchaus kritischen Sicht zeichnet Appel so ein buntes Porträt des komplexen Charakters der Madame de Staël, welches dem Leser auf vielfältige Weise Leben und Wirken dieser faszinierenden Frau näher bringt. Grundlegendes Epochenwissen, sowohl historisch als auch literarisch, wird vorausgesetzt, wenn die Autorin einen weiten Bogen vom Ende des Ancien Regime über die Regierungszeit Napoleons bis zur Restaurierung der Bourbonen zieht und den Leser dabei auf zahlreiche Vertreter der Klassik und Romantik treffen lässt. Auch große Namen der Revolution reihen sich aneinander und die Liste ihrer Freunde, Bekannten und Liebhaber liest sich wie das „Who is Who“ des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

Der Zeitgenosse Erich Bollmann beschrieb Staël als ein Genie: „Eine außerordentliche, exzentrische Frau in allem, was sie macht und tut. Sie schläft nur wenige Stunden, und ist die ganze übrige Zeit hindurch in einer ununterbrochenen, fürchterlichen Tätigkeit.“

Aus dieser Tätigkeit wird sie vorerst herausgerissen, als sie in den Jahren 1803/04 erstmals, weil von Napoleon ins Exil verbannt, nach Deutschland reist. Ihr Leben war stets gesellschaftszentriert, daher fiel der Kontrast zwischen intellektuellem Pariser Salonleben und der behäbigen Ruhe Deutschlands umso mehr ins Gewicht. Aus ihren Betrachtungen heraus entsteht später das Buch „De l’Allemagne“, mit dem sie maßgeblich den Begriff der „Dichter und Denker“ prägte.

Appel bleibt bei ihren Betrachtungen nicht an der Oberfläche der historischen Person haften, sondern offenbart eine vielschichtige Persönlichkeit, getrieben von ihren Leidenschaften und ihrem Drang nach Wissen. In ihrer philosophisch-politologischen Schrift „Über den Einfluss der Leidenschaften auf das Glück der Individuen und der Nationen“ beschreibt Madame de Staël „die Liebe sei die fatalste Leidenschaft für das menschliche Glück“. So zeigt Sabine Appel nicht nur die große Diplomatin und Schriftstellerin, sondern ebenso die Frau, in ihrer ständigen Zerrissenheit zwischen Emanzipation und Abhängigkeit von ihren leidenschaftlichen, bedingungslosen Liebesempfindungen, die sie Zeit ihres Lebens dominierten.

Sabine Appel: Madame de Staël. Kaiserin des Geistes.

Titelbild

Sabine Appel: Madame de Staël. Kaiserin des Geistes.
Verlag C.H.Beck, München 2011.
368 Seiten, 16,95 EUR.
ISBN-13: 9783406617294

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch