Das Leben der Superhelden

Adrian McKinty setzt mit „Der schnelle Tod“ so ungemein langweilig fort, was mit „Der sichere Tod“ so kurzweilig begonnen hat

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Den Karrieren von Krimi-Helden zu folgen, ist so etwas wie das Leben von vertrauten Familienmitgliedern zu teilen, so vertraut, so ungemein beruhigend und ordnungsstiftend. Man kennt sich, man kennt sich aus, man weiß, was man von den harten Jungs (und Mädchen) zu erwarten hat.

Aber so wie es im richtigen Leben Verwandte gibt, die mit den Jahren an Attraktivität verlieren, gibt es eben auch Krimihelden, deren Gegenwart nach und nach zur Prüfung gerät. Ihre Eigenheiten sind dann nicht mehr vertraut, sondern nervig, ihre Überlegungen zeugen nicht mehr davon, wie reflektiert sie mit sich und anderen umgehen, sondern nur noch, wie toll sie sich finden. Was sie tun und lassen, wird mit der Zeit immer weniger nachvollziehbar. Spätestens dann wird es Zeit, etwas zu tun, was bei schlimmen Verwandten nur bedingt möglich ist: Man muss sich trennen.

Adrian Mc Kinty hat mit „Der sichere Tod“ einen unterhaltsamen Ansatz entworfen. Wie er seine kriminelle Hauptfigur zur positiven Identifikationsfigur umbaute, war bemerkenswert. Dabei nahm er so gut wie keine Rücksicht auf seinen Protagonisten. Er steckte ihn im Vorgängerroman sogar in ein mexikanisches Gefängnis, wo der arme Kerl zu verrotten drohte und bei der Flucht alle seine Gefährten und einen Fuß verlor. Solch unfreundliche Zuwendung ist bei Krimiautoren sonst eher selten.

Mit dem neuen Roman aber scheint McKinty den guten Eindruck aus dem Vorgängerroman zunichte machen zu wollen. Aus dem waghalsigen jungen Iren namens Michael Forsythe wird ein selbstgewisses und selbstgerechtes Männlein, das sich so langsam im seinem genrespezifischen Krimi-Superheldendasein einzurichten scheint. Auch Superhelden können ein langweiliges Leben führen: Hier einen Bösewicht ausschalten, dort das Schlimmste verhüten. Und ansonsten immer auf den wohlverdienten Lohn verzichten müssen. Das ist schon wirklich kein Zuckerschlecken, wenn auch bekannt.

Aber wenigstens darf der Krimi-Superheld in allem immer wieder der Beste sein, auch wenn er nur selbst davon je erfahren wird. Die Welt zu retten ist ein einsames Geschäft, aber eben supercool.

Dabei wimmelt es von Seinesgleichen im Krimigenre nur so, und wenn es möglich wäre, die verschiedenen Kosmen, die die Romane bilden, miteinander zu verbinden, könnten sie so etwas wie eine geheime Krimi-Superhelden-League der Gerechtigkeit bilden.

So aber bleibt er mit sich und in seiner Welt allein: In allen Situationen cool und kontrolliert, natürlich all seinen Gegnern haushoch überlegen und dazu auch noch ein echter Macker mit dicker Hose. Vor ihm besteht natürlich kein Frauenherz und was sonst noch dazugehört. Das Handicap (ein künstlicher Fuß) ist vielleicht eher noch ein Vorteil, den er reichlich zu nutzen versteht.

So überrascht es nicht, dass er mit seinem neuen, ein wenig aufgezwungenen Leben ganz hervorragend zurecht kommt und selbst aus ausweglosen Situationen – Superheldens Lieblingssituationen – immer noch einen Ausweg findet. Natürlich weiß er mit Waffen und Fäusten besser umzugehen als seine Kontrahenten. Natürlich ist er gefühlvoller und im tiefsten Inneren vor allem ein Gerechter.

Er hat sogar ein Herz für die böse Schöne auf der Gegenseite, und wenn sie nur ein bisschen auf ihn hören würde, könnte sie errettet werden. Tut sie aber nicht. Sie gibt sich ihm zwar hin, aber als er – ganz gemütvoller Superheld – sich offenbart, wird sie zu seiner schlimmsten Gegnerin, mit der dann auch der Showdown ausgefochten werden muss.

Gut zupass kommt dem Krimi-Superhelden, dass er mal bei der britischen Armee war und dort gelernt hat, seine Fäuste effektiv einzusetzen. Zwar war das Leben bei den Briten ihm nicht gefallen und er ist dort in hohem Bogen rausgeflogen, aber das bisschen, das er mitgenommen hat, reicht schon ein gutes Stück weiter.

Super-Michael muss in diesem Fall nun gegen einen kriminellen IRA-Ableger in den USA bestehen. Der britische Geheimdienst holt ihn aus seinem spanischen Exil, wo er sich als Fußball-Hooligan vergnügt, und zwingt ihn dazu, für ihn den Undercover-Agenten bei den USA-IRA-Iren zu machen.

Die wollen angeblich die Deeskalation sabotieren, die die IRA mit den Engländern ausgehandelt hat. Ein Attentat hier, ein Mord dort, das geht schnell und die IRA hat den Schaden. Da die IRA nun anscheinend nicht in der Lage ist, alle radikalen Splitter selbst auszuschalten, kommen die Engländer ins Spiel, die Michael keilen und in die USA schicken.

Der wird dort Zeuge eines dilettantischen Mordversuchs am angeblichen Chef der IRA-Splittergruppe, rettet die Tochter des Chefs und weiß sich in das Vertrauen der Gruppe einzuschleichen. In Nullkommanix wird er an Kommandoaktionen beteiligt, die aber so schlecht vorbereitet sind und durchgeführt, dass sie allemal schief gehen. Wenn Dummheit schützt, dann muss sie in diesem Fall unermesslich groß sein. Anders ist jedenfalls nicht zu erklären, warum es diese Truppe überhaupt geschafft hat, solange durchzuhalten.

Und beim FBI – das auch mitmischt – können die Beteiligten auch nicht wirklich helle sein, sonst hätten sie die Iren längst ausheben müssen. So aber kann der dilettantische Undercoveragent, sorry, der Krimi-Superheld, unbehelligt in die klandestine Terrorgruppe eindringen, sie unterwandern und am Ende – natürlich im Alleingang und unter Lebensgefahr – ausheben.

Es gab einmal eine Zeit, da war für das Krimigenre der sogenannte mittlere Held üblich, der dem Leser und der Leserin so nahe war, dass er besonders gut nachvollziehbar machte, was mit ihm geschah. Diese Zeiten scheinen für das Krimigenre vorbei zu sein. Stattdessen tummeln sich dort Helden wie Michael, was die Krimis immer langweiliger macht. Das aber führt dazu. Dass die Krimiautoren ihre Romane immer schriller machen, ganz wie die Werbeleute, die in der Überbietung die einzige Lösung dafür sehen, überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Einen größeren Irrtum gibt es nicht.

Titelbild

Adrian McKinty: Der schnelle Tod. Kriminalroman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Kirsten Riesselmann.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011.
427 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783518462324

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