„Ich werde kein Loch für sie graben …“

In seinem zweiten Kriminalroman um den Totengräber Max Broll spielt Bernhard Aichner mit menschlichen Urängsten

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit „Die Schöne und der Tod“ hat der Innsbrucker Autor Bernhard Aichner (Jahrgang 1972) vor einem knappen Jahr eine Berufsgruppe zu Detektiven gemacht, die bis dato andere Funktionen im modernen Spannungsroman erfüllte: die Totengräber. Max Broll ist ein solcher und als sein Wirkungsfeld hat er sich ein „kleines Dorf im Westen Österreichs“ erwählt. Da lebt der Ex-Journalist mit seiner Stiefmutter Tilda, die seit 35 Jahren bei der Polizei arbeitet, und der Würstlstandbesitzerin Hanni Polzer. Befreundet ist er mit Johann Baroni, einem Fußballprofi außer Dienst, und wenn er nicht gelegentlich ganz gegen seinen Willen in kriminelle Machenschaften hineingezogen würde, könnte er mit seinem Dasein ganz zufrieden sein.

Diesmal fängt alles mit einem Handy an, das eines Abends herrenlos in Brolls Wohnung herumliegt. Als er es in Betrieb nimmt, muss er feststellen, dass er automatisch mit seiner Stiefmutter verbunden wird. Nur leider befindet sie sich nicht mehr in ihrer guten Stube eine Etage tiefer, sondern, eingezwängt in eine solide gebaute Kiste, irgendwo draußen im Wald vergraben. Ein böser Scherz? Ein Racheakt? Auf Letzteres scheint der Name des Entführers hinzuweisen, den Tilda per Handy an Broll, Baroni und all die Kollegen weitergibt, die sich auf der Suche nach ihrem neuen, ungastlichen Zuhause befinden: Leopold Wagner. Doch der, von ihr vor Jahren ins Gefängnis gebracht, sitzt nach wie vor in sicherer Verwahrung und kann es eigentlich nicht gewesen sein.

Aichner hat den Plot für seinen zweiten Thriller geschickt ersonnen. Die Geschichte um eine lebendig Begrabene, der ein perfider Täter ein Handy als Sargbeilage überlässt, mit dem sie Anrufe entgegennehmen, aber nicht selbst telefonieren kann, spielt gleich mit mehreren menschlichen Urängsten. Allerdings ist die Art und Weise, wie der Autor die Sache sich nach deren fulminantem Beginn entwickeln lässt, wenig geeignet, Leser, die Wert auf halbwegs realistische Szenarien legen, lange bei der Stange zu halten. Und auch der atemlos hetzende Stil und die vielen Gesprächssequenzen, die der Handlung Drive verleihen sollen, wirken nur allzu bald reichlich manieriert.

Da vermag es auch die Skurilität der Protagonisten – sowieso ein Markenzeichen des österreichischen Gegenwartskrimis und als solches nach Haas, Steinfest, Wieninger, Raab, Slupetzky und den anderen üblichen Verdächtigen nur noch schwer übertreffbar – nicht, das Ganze noch zu retten. Haben Broll und sein Freundeskreis im Vorgängerband durchaus das Interesse des Lesers auf sich ziehen können, wird diesmal nur wenig Gewicht auf Charakterentwicklung gelegt und alle Spannung aus der Konfrontation mit einem diabolischen Gegner gezogen. Ganz nach dem Motto: Mit der Größe der Aufgabe sollte automatisch auch die Größe der mit ihr Befassten zunehmen. Aber der „Kindermacher“ Wagner, für den Gefängnismauern nicht existieren, ist einfach keine Figur, an der ein Gegenspieler wachsen könnte. Und so fällt Broll und Baroni auch wenig mehr ein, als ihn mit seinen eigenen Mitteln zur Strecke zu bringen.

Am Ende wird Tilda natürlich aus der Kiste befreit. Dass die sympathische Hanni Polzer das nicht mehr erleben darf, ist schade. Zumal ihr – dramaturgisch nicht unbedingt notwendiger – Tod auch noch einen arg süßlichen Schluss nach sich zieht. Jedenfalls wäre sie gut zu brauchen gewesen beim nächsten Abenteuer von Aichners Helden. Als eine Art Gewicht, das ihn wieder auf die Erde herunterzieht. Sonst fliegt er uns am Ende ganz davon ins Reich der Fantasien.

Titelbild

Bernhard Aichner: Für immer tot. Ein Max-Broll-Krimi.
Haymon Verlag, Innsbruck 2011.
238 Seiten, 12,95 EUR.
ISBN-13: 9783852188829

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