Roman über ein Schicksal der Nachkriegszeit

Georg Kreislers Roman „Ein Prophet ohne Zukunft“ handelt von der Hoffnungslosigkeit einer ganzen Generation

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Schriftsteller, Musiker, Komponist und Chansonnier Georg Kreisler (Jahrgang 1922) ist vor allem durch seine satirischen Kabaretttexte bekannt geworden. Doch er selbst wollte nie in die alte „Taubenvergifter-Schublade“ gesteckt werden,und fürwahr Kreisler ist mehr als ein Kabarettist – als satirisches Multitalent ist er ein Sprachkünstler. Das bewies nicht nur seine Auszeichnung mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Homburg im Vorjahr, sondern auch sein Gedichtband „Zufällig in San Francisco – Unbeabsichtigte Gedichte“, der 2010 ebenfalls im Verbrecher Verlag erschienen ist.

Nun ist in dem Berliner Verlag mit „Ein Prophet ohne Zukunft“ ein Roman erschienen, der 1990 erstmals im Züricher Diana Verlag publiziert wurde. Es war vor 20 Jahren das Debüt von Kreisler als Romancier. Für die nun vorliegende Neuausgabe hat er den Roman noch einmal vollständig überarbeitet.

Der Roman erzählt die Lebensgeschichte von Erwin Achler, der in den letzten Kriegstagen geboren wird. Sein Vater Franz wandert kurz nach der Heimkehr aus der Gefangenschaft nach Australien aus. Seine Mutter Elli ist mit dem Kleinkind überfordert, und so wächst der Kleine bei der Großmutter auf.

Ohne Elternhaus schlägt sich Erwin im Wien der Nachkriegszeit durch. Als Halbwüchsiger sucht er sich Freunde, die ihn in die Geheimnisse des Alkohols einweihen. So vertreibt er seine Zeit in Kneipen und Kaffeehäusern und wird schon frühzeitig zum Kleinkriminellen. Bald macht er mit der Polizei Bekanntschaft und erhält ein Jahr Jugendstrafe.

Erwin lebt in den Tag hinein, denn „das Leben kommt und geht“. Er trinkt zuerst, dann lebt er wieder abstinent, um sich anschließend wieder dem Alkohol hinzugeben – wie es eben gerade passt. Mitunter geht er einer Aushilfsarbeit nach, um seinen Alkoholkonsum zu finanzieren. Dann lungert er wieder herum. Ständig hat er wechselnde Frauenbekanntschaften (so tragen die meisten Kapitel des Romans auch Frauennamen).

Der Roman berührt eine Reihe von Themen der Nachkriegszeit. Realistisch zeigt er die Hoffnungslosigkeit der Jugend, für die jeder Tag dasselbe bringt. Die junge Generation kann einfach nicht Fuß fassen. In der Perspektive des heranwachsenden Erwin wird die Schilderung zu einer wunderbaren Satire der Wirtschaftswunderjahre. Ein Buch, das von seiner Aktualität nichts verloren hat.

Titelbild

Georg Kreisler: Ein Prophet ohne Zukunft.
Verbrecher Verlag, Berlin 2011.
320 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783940426710

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