Von Gott und der Welt schreiben

Dietmar Dath präsentiert sich in seinem Band „Gott ruft zurück“als Lyriker

Von Stefan HöppnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Höppner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es war vorauszusehen: Nach seinen Großtaten als Romancier, Essayist und politischer Kommentator ist Dietmar Dath nun auch unter die Lyriker gegangen. „Gott ruft zurück“ ist sein erster, schmaler Gedichtband, erschienen dieses Jahr in der kleinen, aber feinen Connewitzer Verlagsbuchhandlung in Leipzig, unterhalb des üblichen Buchmessenradars. Das ist ein typischer Zug Daths – dass er neben seinen Romanen, die im durchrenovierten Haus Suhrkamp erschienen, immer noch Indie-Produktionen bei kleinen Verlagen einschiebt – und manches sogar ganz selbst finanziert.

„Gott ruft zurück“ mag ein schmales Bändchen sein, vom Anspruch her werden große Brötchen gebacken. In ein paar Dutzend Gedichten wird ein ganzer Kosmos durchstreift, intime Liebesgesänge sind ebenso vertreten wie Politisches, eine Hommage an Virginia Woolfs „Orlando“ („Virginia I.“), jene wunderschöne Hymne auf die geschlechtliche Grenzüberschreitung, oder ein Leserbrief zu T. S. Eliot. Wenn man will, ist die Quintessenz dann das Poem „Schriftlicher Abschluß Clarion“, hermetisch und allumfassend: „Aufstand / Verzeichnis Wikily Unaufrichtigkeit / Staubsauger Blütenkelch Alexandra / Kellerlattentür Christof Gefangenschaft“ und so fortan. Das lässt sich nicht ohne Weiteres auf einen Nenner zu bringen, und das ist auch gar nicht nötig. Auf einem anderen Blatt steht die Frage, wie gelungen die Sammlung als Ganzes ist. Manches gelingt wunderbar lakonisch, wie das gereimte „Freund Jens“ (Friebe), der auch ein kleines „Nachgedicht“ beigesteuert hat. Einige Liebesgedichte sind in einem Ton verfasst, von dem man gern viel mehr hören möchte, etwa „Mariko“, oder das bittere „Die Herkunft der Dinge“, das mit den Worten beginnt: „Farnblatt zittert, weil die kleinste Giraffe es streift.“ Daneben dann aber auch Plattes, Beliebiges wie die beiden politischen Sonette im hinteren Teil des Buches: „Das Konjunkturpaket ist innen hohl. / Auf Ohnmacht hat der Staat ein Monopol.“

Literatur kann und soll politisch sein, aber auf diesem Gebiet ist Dath ein sehr viel besserer Essayist als Lyriker. Wenn er in „Editorial Content“ über das Web 2.0 und seine kapitalistische Verwurstung herzieht, mag das berechtigt sein, aber es klingt wie aus der Tastatur eines grantelnden Kulturpessimisten, der Dath sonst nun wirklich nicht ist: „Die Blogger spinnen zittrig Flimmerzeilen / Ephimeriden ohne Sternleitzahl / Bei keinem Hyperlink darfst du verweilen. / Soziale Netze, plötzlich asozial.“ Die Vielfalt der Gedichte ist allerdings ideal für Leser, die auf eigene Faust entdecken wollen – die Chancen stehen gut, das jede/r hier etwas für sich findet.

Schade nur, dass es schon einen viel besseren Lyrikband von Dath gibt – nämlich den Roman „Sämmtliche Gedichte“ von 2009, den schusselige oder gleichgültige Buchhändler und –innen tatsächlich gern mal unter den Lyrikbänden abstellen. Im Mittelpunkt der Handlung steht zwar der Kampf zwischen dem „guten“ Dichter Adam Sladek und einem unsympathischen Zyniker Dietmar Dath, der sich einem zwielichtigen Großfinanzier angedient hat und Sladek für dessen Zwecke ausbeuten will. In den immer wieder eingestreuten Gedichten und Zyklen geht es um nichts weniger als die Möglichkeit einer Dichtung, in der ästhetische und politische Avantgarde endlich zusammenfallen und so alle bisherigen Poetiken sprengen. Thematische und formale Vielfalt sind dort ebenso breit angelegt, aber insgesamt gelungener umgesetzt. Wer will, sollte den Vergleich anstellen – ein äsethetisches Vergnügen wird es so oder so.

Titelbild

Dietmar Dath: Gott ruft zurück. Gedichte.
Connewitzer Verlagsbuchhandlung Peter Hinke, Leipzig 2011.
60 Seiten, 15,00 EUR.
ISBN-13: 9783937799506

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