Der Traum vom Leichtschreiben

John von Düffels Roman „Goethe ruft an“ ist eine brillante Satire über den Literaturbetrieb

Von Gunter IrmlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Gunter Irmler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Leserinnen und Leser von Romanen mögen ,gut lesbare‘ Texte. Für Schriftsteller und Autoren aber ist diese leichte Lesbarkeit mit umso mehr geistigen Strapazen verbunden. Kein Wunder, dass sie den Traum hegen, ,leicht‘ zu schreiben: Den Wunsch, einfach loszuschreiben – ohne großartige Arbeit an der Inspiration. Und jeder neue Gedanke fügt sich nahtlos an den letzten Gedanken. Jede Frage im Text bringt ihre Antwort hervor. Jeder Satz zieht einen anderen nach sich.

Das „Leichtschreiben“ ist in John von Düffels neuestem Roman „Goethe ruft an“ der rote Faden, der sich durch den ganzen Text zieht. Im Mittelpunkt des Werks stehen zwei völlig unterschiedlich etablierte schriftstellerische Existenzen: Der Ich-Erzähler, der sich als Romancier redlich, aber erfolglos um Lorbeeren müht. Ihm gegenüber steht sein Kollege, der schon zu Lebzeiten ein Klassiker ist. Er hat es auf astronomische Auflagen gebracht. Seine Lesungen gleichen Rockkonzerten. Der Erzähler nennt ihn einfach „Goethe“.

Goethe erweist sich aus Sicht des Ich-Erzählers als verlässlicher, großzügiger Freund. Er bietet ihm nämlich an, ihn bei einem außergewöhnlich gut dotierten Schreibseminar zu vertreten, da Goethe nach China reist. Viel Geld – wenig Arbeit! Davon hat der Erzähler doch immer geträumt! Gegenstand des Kurses ist das leichte und fließende Schreiben. Zur besseren Vorbereitung auf das Seminar erhält der Ich-Erzähler von Goethe eine Mappe. Die enthält dessen Aufzeichnungen mit den letzten Geheimnissen erfolgreichen Schreibens – die Erfolgsformel also. Vor allem davon ist der Erzähler begeistert. Doch der Lehrgang gerät ihm zusehends zu einer mehr und mehr dramatischen Feuerprobe seiner eigenen literarischen Kompetenz.

Von Düffel verarbeitet in „Goethe ruft an“ Erfahrungen, die er als Lehrender in Kursen über das kreative Schreiben gemacht hat. Er ist Professor für szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin und hat Romane, Hörspiele und Theaterstücke geschaffen. Der Autor, geboren 1966, wurde mit Preisen ausgezeichnet. Er arbeitet als Dramaturg in Berlin und hat mit dramaturgischen Bearbeitungen von Romanen fürs Theater – wie Thomas Manns „Buddenbrooks“ – auf dem Theater Erfolge gehabt.

Von Düffels Text will kein Skandal auslösender Schlüsselroman über die Literaturszene wie Norbert Gstreins „Die ganze Wahrheit“ sein. Gstrein schildert in dem im letzten Jahr erschienen Roman – aus persönlicher Kenntnis – Ränkespiele der Verlegerin des Suhrkamp Verlages. Von Düffel aber beschreibt keine wirklichen Personen des Literaturbetriebs.

„Goethe ruft an“ ist eine fiktive Story mit erfundenen Figuren. Der Roman ist eine süffig geschriebene Literatursatire und brillante Komödie. Abgründiger Humor blitzt in den Gesprächen der Autoren miteinander auf. So wenn von Düffel deren Stilblüten der mündlichen Konversation entlarvt, auf die Spitze treibt und ad absurdum führt. Gelegentlich trägt er dabei ein paar Gemeinplätzchen zu viel auf. Doch diese Farce mit Elementen einer Charakterstudie karikiert überzeugend die narzisstische Erfolgsbesessenheit aufstrebender Dichter: Sie sorgt für großen Lesegenuss. Von Düffel selbst also kennt sie und beherrscht sie – die „Erfolgsformel“ für das „Leichtschreiben“.

Titelbild

John von Düffel: Goethe ruft an. Roman.
DuMont Buchverlag, Köln 2011.
320 Seiten, 15,99 EUR.
ISBN-13: 9783832196493

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch